Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
Vom Netzwerk:
gar nicht mehr zur Arbeit. Ein paar der jüngeren neuen Arbeiter wollten einfach weitermachen, denn schließlich war der Boss ihr lieber Freund. Und die Altgedienten, die gerade zum zweiten Mal hereingelegt worden waren, gestanden sich und ihren Mitarbeitern schließlich ein, was sie die ganze Zeit geahnt hatten: Ihr Boss war ein Betrüger und hatte sie gerade alle ausgenommen.
    »Genau so funktioniert das: Man bricht einfach grundsätzliche gesellschaftliche Vereinbarungen, und der andere weiß gar nicht, wie ihm geschieht. Es gibt keine Regeln für so was. Einen Moment lang steht die Zeit für das Opfer still, und in dieser Zeit kann man ihm die Taschen ausräumen.«
    Es wurden noch mehr Geschichten dieser Art erzählt, und alle mussten lachen. Doch irgendwann hatte Wei-Dong einen Anflug von Skepsis.
    »Was ist los?«, fragte Jie, die ihn offenbar beobachtet hatte. Sie war sehr schön, und soweit er verstanden hatte, waren ihre Podcasts berühmt. Von den Arbeiterinnen wurde sie wie eine Heldin verehrt. Es war nicht zu übersehen, dass Lu bis über beide Ohren verliebt in sie war, und auch die meisten anderen lasen ihr jeden Wunsch von den Lippen ab. Wenn sie jemandem ihre Aufmerksamkeit schenkte, folgte der ganze Raum ihrem Beispiel. Besagter Raum war eine enge Wohnung in einem alten, seltsamen Stadtteil, voller Menschen, Lärm und überhitzter Rechner.
    »Keine Ahnung«, sagte er und winkte ab. Er war auf einmal sehr müde. Seit seiner Ankunft hatte er keine Gelegenheit zum Schlafen oder Duschen gehabt, und die Videokonferenz mit Schwester Nor und all diese neuen Leute waren einfach zu viel für ihn. Sein Chinesisch versagte ihm den Dienst, er rang nach Worten, schluckte schwer und überlegte. »Hört mal«, sagte er schließlich, »ich will den Arbeitern ja helfen, den MT s, den Farmern, den Mädchen in den Fabriken … Ich wünschte, es würde allen besser gehen.« Sie nickten vorsichtig. »Aber was tun wir hier eigentlich? Erkämpfen wir uns irgendwelche Rechte, indem wir selbst zu Betrügern werden? Indem wir Leute hereinlegen?«
    Es entspann sich eine hitzige Diskussion. Offensichtlich hatte Wei-Dong ein altes Streitthema angesprochen, und es bildeten sich rasch die üblichen Fronten. Das Chinesisch war umgangssprachlich und schnell, und er verlor rasch den Faden. Und dann, endlich, traf ihn das Ausmaß dessen, was er getan hatte, mit aller Gewalt: Er war Tausende von Meilen von daheim entfernt, ein illegaler Einwanderer in einem Land, in dem er auffiel wie ein bunter Hund. Er war drauf und dran, sich in kriminelle Machenschaften zu verstricken – verdammt, er war bereits in sie verstrickt – , die die Welt in ihren Grundfesten erschüttern sollten. Und dabei war er gerade mal achtzehn. Er fühlte sich winzig klein und so platt wie ein Pfannkuchen.
    »Wei-Dong«, flüsterte einer der Jungs ihm ins Ohr. Es war Matthew, der irgendwie ein wenig seltsam aussah: verbraucht, die Haut beinahe ledrig. Doch seine Augen funkelten wach. »Komm, verschwinden wir erst mal. Das wird noch ein paar Stunden so gehen.«
    Er musterte Matthew von Kopf bis Fuß. Technisch gesehen waren sie in derselben Gilde, aber wer wusste schon, was das jetzt noch zu bedeuten hatte? Was für eine Art von Übereinkunft hatten sie denn wirklich , diese Fremden und er?
    »Los, komm schon«, sagte Matthew, und Wei-Dong sah die Anteilnahme in seinem Gesicht. »Ich bring dich wohin, wo du dich umziehen und schlafen kannst.«
    Das Angebot war einfach zu gut, und so gingen sie hinaus auf die Straße. Die Sonne war mittlerweile untergegangen und die Hitze aus der Luft gewichen. Matthew führte ihn durch einen Irrgarten enger Gassen zwischen riesigen Wohnblocks, dann in ein anderes Gebäude, das noch heruntergekommener als das letzte war. Sie stiegen neun Stockwerke hoch, und als sie endlich oben ankamen, war Wei-Dong kurz vor dem Zusammenbrechen. Seine Hüfte schmerzte, sein Atem ging schwer und stach in der Brust, und Schweiß rann ihm in Bächen Nacken, Rücken und Hintern hinunter.
    »Ich habe mir dieselbe Frage gestellt wie du«, sagte Matthew. »Als ich aus dem Arbeitslager kam.«
    Wei-Dong zwang sich dazu, nicht von Matthew abzurücken.
    Die Wohnung war mit dünnen Matratzen ausgelegt, die fast den ganzen Boden bedeckten, ein verrückter, dicker Teppich. Sie zogen die Schuhe aus und setzten sich auf verschiedene Matten.
    Irgendwie musste Matthew Wei-Dong den Schock jedoch angesehen haben, denn er lächelte traurig. »Ich bin verhaftet worden,

Weitere Kostenlose Bücher