For the Win - Roman
Englisch!
Der Oger – Prinz Simon laut seiner Stats – verbeugte sich knapp.
> Ich hatte Englisch in der Schule. Meine Freunde nicht so gut.
Connor erinnerte sich, was er vorgab zu sein: ein junger Spieler in einer amerikanischen Großstadt. Was würde so jemand jetzt sagen?
> Ist es spät bei euch?
> Nach Abendessen. Wir spielen immer nach Abendessen.
> Ist ja super! Ich wünschte, ich hätte auch ein paar Leute, die nach dem Essen noch Zeit haben. Immer nur Hausaufgaben Hausaufgaben Hausaufgaben
Connors erfundene Persona begann Gestalt anzunehmen: Ein einsamer Highschooljunge aus La Jolla oder San Diego, irgendwo am Meer, weiße Mittelklasse, ziemlich isoliert. Irgendwo, wo es keine Bürgersteige gab. Ein Junge, der sich eine Gruppe wildfremder Spieler suchen musste, wenn er an eine Quest wie Dvalinns Runen kam.
> Ist eine gute Zeit zum Spielen
meinte der Oger. Dann, nach einer kurzen Pause:
> Mein Freund fragt ob du studierst
Die Antwort kam ihm wie von selbst:
> Ich bin fast mit der Schule fertig. Dann will ich Bauingenieurswesen studieren. Habe mich an ein paar Unis beworben, hoffe, es klappt!
Der Oger sagte:
> Ich war Bauingenieur, bevor ich von daheim weg bin. Ich hab Brücken entworfen, fünf Stück. Für einen Hochgeschwindigkeitszug.
Connor musste das Bild, das er sich von den Spielern gemacht hatte, anpassen. Das waren keine Kinder, sondern junge Erwachsene.
> Wann bist du von daheim weg?
> 2 Jahre. Keine Arbeit mehr. Ich geh aber bald wieder heim, glaub ich. Ich hab eine Familie da, einen kleinen Jungen, gerade 3
Der Oger schickte ihm ein Bild: ein kleiner Chinese in einem Matrosenanzug. Er grinste und hielt eine tropfende Eiswaffel wie ein Dirigent seinen Stab.
Connors fiktiver Siebzehnjähriger fühlte sich von dem Bild nicht angesprochen, sein 36 Jahre altes Ich aber schon. Ein Vater, der seinen Sohn zurückließ und loszog, um Arbeit zu suchen! Connor war noch nie für jemanden verantwortlich gewesen, aber er hatte es sich schon öfter vorgestellt. Wie ein Erdbeben, bei dem einiges zu Bruch geht, erschütterte dieses Kind seine Welt, in der alles nur von Neid und Angst bestimmt war. Er kämpfte darum, wieder in seine Rolle zu finden.
> Süß! Musst ihn vermissen
> Sehr. Ist wie in der Armee. Ich mach das ein paar Jahre, aber dann geh ich heim
Was für eine Welt! Ein ausgelernter Bauingenieur mit Frau und Kind, fern von zu Hause, der den ganzen Tag virtuelle Schätze anhäufte und mit Connor und seinen Leuten Katz und Maus spielte.
> Was würdest du einem jungen Bauingenieur also raten?
Der Oger lachte herzlich.
> Geh nicht nach China, wenn du Arbeit suchst
Connor erwiderte das Lachen und führte die Gruppe weiter. Obwohl er versuchte, ein kühler Beobachter zu bleiben, verlor er sich schnell im Spiel. Ein paar seiner Kollegen schauten ihm ab und an über die Schulter und machten bissige Bemerkungen. Unter den meisten Spielbetreibern war das Spiel selbst nicht sehr angesehen, das war nur was fürs Kundenvieh. Das eigentliche und schwierige Spiel war das Design dahinter: die perfekte Justierung aller Variablen in dem großen Hamsterrad, für das die ganzen Loser dann ihr Geld ausgaben, damit sie rennen durften.
Connor hatte aber nie vergessen, wie er dazugestoßen und auf seine Formel gekommen war: durchs Spielen . Tausende von Stunden, in denen er durch all seine Sinne die Physik und die Wirklichkeit der virtuellen Welten aufgesaugt hatte. Seiner Meinung nach konnte man diesen Job gar nicht machen, ohne selber zu spielen. Er merkte sich die dummen Sprüche und auch, von welchen Kollegen sie kamen, und strich den entsprechenden Leuten insgeheim ein paar Punkte Respekt.
Sie betraten jetzt den Dungeon, den er selbst zusammengezimmert hatte. Es machte ihm trotzdem eine Menge Spaß. Die Chinesen arbeiteten erstklassig zusammen – koordiniert, reibungslos, einfallsreich. Er neigte dazu, sich Goldfarmer als hirnlose Roboter vorzustellen, die vor ihren Mäusen saßen und die immer gleichen Bewegungen wiederholten, die irgendein Boss ihnen gezeigt hatte. Natürlich spielten die Goldfarmer aber auch den ganzen Tag, jeden Tag die Woche, mehr als selbst die größten Hardcore-Spieler. Sie waren Hardcore-Spieler. Zwar hatte er geschworen, sie auszumerzen, trotzdem zählten sie zu den Besten.
Sie kämpften sich bis zum Endgegner durch, und das Team war so gut, dass Connor der Versuchung nicht widerstehen konnte: Er griff in die Eingeweide des Spiels und buffte den Boss bis zum
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