For the Win - Roman
Blut rauschte so laut in seinen Ohren, dass er die Schreie der Kämpfenden um sich kaum hörte. Er verkrampfte sich und war schon drauf und dran, sich dem Jungen in den Weg zu stellen. Doch kaum, dass er sein Gewicht zu verlagern begann, bellte Mala »Nein!«, ohne den Angreifer nur einen Moment aus den Augen zu lassen, und er hielt sich zurück. Nur einen Sekundenbruchteil schaute der Junge mit der Machete ihn an, dann wirbelte Mala herum, lenkte all ihre Energie in den Arm mit dem schweren, schädelbesetzten Stab – eine Geste, die er sie schon häufig hatte vollführen sehen. Der Stab schnellte vor und traf den Jungen krachend am Unterarm. Ashok hörte es trotz des Kampfeslärms. Das letzte Mal hatte er so ein Geräusch in jener Nacht gehört, in der Malas Armee ihm und Yasmin aufgelauert hatte. Und als Sohn eines Arztes wusste Ashok genau, was dieses Krachen zu bedeuten hatte.
Ein Wirbel von Stoff, als Yasmin vorübertanzte und sich anmutig bückte, um die Machete aufzuheben. Die Augen des Jungen waren groß und glasig. Er stand bereits unter Schock. Dann trat ihm Yasmin zielsicher und wohlüberlegt mit der Sandalenspitze in die Knie, und der Angreifer ging zu Boden und weinte dabei wie ein kleiner Junge, der nach seiner Mutter schreit – klagte wie ein junger Vogel, der aus dem Nest gefallen ist.
Der Kampf hatte nur Sekunden gedauert, da war er auch schon vorbei. Zwei der Jungen rannten davon, ein anderer schluchzte, den Mund voller Blut, zwei weitere waren bewusstlos.
Ashok schaute sich nach verwundeten Soldaten um: Es gab insgesamt drei Verletzte. Er kümmerte sich zuerst um den Jungen mit der schlimmen Wunde, aus der das helle, arterielle Blut geströmt war. Er lag auf dem Boden, die Augen halb geschlossen, und atmete schwer. Am linken Arm hatte er einen tiefen Schnitt, aus dem mit jedem Herzschlag neues Blut spritzte. »Schnell, ein Hemd, irgendwas zum Verbinden!«, rief er, und jemand drückte ihm ein T-Shirt in die Hand. Ashok presste es fest auf die Wunde und versuchte, die Blutung zu stillen.
»Wir brauchen einen Arzt«, sagte er und sah Anam an, eine Soldatin, mit der er zuvor kaum ein Wort gewechselt hatte. »Hast du ein Handy?«
Das Mädchen zitterte, nickte dann aber und klopfte auf die Tasche an ihrer Seite. In der anderen Hand hielt sie gedankenverloren noch immer eine Eisenstange, die sie schließlich wegwarf.
»Ruf einen Arzt, hast du verstanden?«
Sie nickte bloß.
»Was sollst du tun?«
»Einen Arzt rufen«, wiederholte sie benommen, dann begann sie zu wählen.
Er drehte sich um und griff nach der Hand, die ihm das T-Shirt gereicht hatte. Er sah, dass die Hand Mala gehörte und sie ihm das T-Shirt eines ihrer Soldaten gereicht hatte. Sie atmete schwer, doch ihr Blick war klar.
»Drück weiter drauf«, wies er sie an, ohne einen Anflug von Skrupel, dass er dem General Befehle gab. Das hier war Erste Hilfe – das, was sein Vater ihm beigebracht hatte, lange bevor er Wirtschaftswissenschaften studiert hatte, und die Situation erlaubte keine Diskussionen. Er legte Malas Hand auf den blutigen Lumpen und stand auf, ohne auf seine knackenden Gelenke zu achten, widmete sich dem nächsten Verletzten, und danach dem dritten.
Schließlich ging er zu dem Jungen hinüber, dessen missgestaltetes Gesicht seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Zwei schwere Steine hatten den Kleinen getroffen. Sein Unterkiefer war völlig zertrümmert, ein Albtraum aus weißen Knochen und Zahnsplittern in einer gallertartigen Masse halb geronnenen Bluts. Als Ashok die Augenlider zurückzog, sah er, dass die linke Pupille so groß wie ein Gullydeckel war und sich auch im Sonnenlicht nicht zusammenzog. »Gehirnerschütterung«, murmelte er, und Yasmin fragte: »Schlimm?«
»Er hat Blutungen im Gehirn«, erklärte Ashok. »Wenn die zu stark werden, wird er sterben.« Er sagte es so sachlich, als zitierte er irgendein Lehrbuch. Der Junge roch ganz fürchterlich und hatte offene Stellen an Armen, Brust und Knöcheln – offenbar aufgekratzte Insektenstiche und Geschwüre, die sich entzündet hatten. »Er muss unbedingt zu einem Arzt.« Er schaute zu dem blutenden Soldaten hinüber. »Und er auch.«
Er wandte sich wieder an das Mädchen, das versprochen hatte, Hilfe zu rufen. »Wo bleibt der Arzt?« Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit mittlerweile vergangen war. Es hätten zehn Minuten oder auch zwei Stunden sein können.
Sie schaute verwirrt drein. »Der Krankenwagen«, hob sie an und sah sich hilflos um. »Es hieß,
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