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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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der Zeiger eines Metronoms, und riss die Tür zu einem Treppenhaus auf. Wei-Dong gab sich alle Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Sie flogen die Treppe hinab. Durch die schmutzigen, verbarrikadierten Fenster drang graues Halblicht herein. Draußen dämmerte es.
    Sie hatten drei von vier Stockwerken geschafft, als Jie abrupt stehen blieb, herumwirbelte und ihn ansah. Ihre Augen schimmerten rötlich, doch ihr Gesicht war gefasst. »Wieso musst du nur ein Weißer sein?«, fragte sie. »Du fällst derart auf! Halt dich fünf Schritte hinter mir und drei seitlich von mir. Und wenn sie dich schnappen, werde ich nicht stehen bleiben.«
    Er schluckte. Oder versuchte es zumindest, doch sein Mund war zu trocken. Lu lag tot im Schacht, und seine Mörder warteten draußen vor der Tür: Er hörte Rufe, Funkgeräte, Motoren, Polizeisirenen …
    Er wollte sagen: Warte, mach nicht die Tür auf, verstecken wir uns hier. Aber er sagte es nicht. Hier drinnen saßen sie in der Falle. Die Polizei wusste, in welches Gebäude sie geflohen waren. Je länger sie warteten, desto eher würde die Polizei alle Ausgänge abriegeln und jeden Winkel des Hauses durchsuchen.
    »Verstanden«, brachte er hervor und versuchte, ein gefasstes Gesicht zu machen.
    Noch eine Treppe.
    Jie öffnete die Tür einen Spalt. Rosiges Licht fiel ihr aufs Gesicht. Sie spähte kurz hinaus, öffnete die Tür dann etwas weiter und schlüpfte hinaus. Wei-Dong zählte langsam bis drei und versuchte dabei seinen Atem zu beruhigen, dann folgte er ihr.
    Draußen herrschte das Chaos.
    Die Straße war ein wenig breiter als die meisten in diesem Teil der Stadt und damit gerade groß genug für ein Auto. An einem Ende wurde sie von einem Einsatzfahrzeug und zwei Polizisten versperrt. Ein paar Meter weiter drangen drei weitere Polizisten gerade durch eine Glastür in das Gebäude ein, das sie soeben verlassen hatten. Das Blaulicht des Polizeiwagens tauchte die Wände um sie abwechselnd in Blau und Schwarz. Irgendwo ganz nahe hörte er Schreie. Viele Schreie. Jungen, die vor Todesangst und Schmerzen brüllten, das Hämmern von Knüppeln und unverständliche Rufe von den Balkons. All das bildete die wortlose Tonspur für eine Schlachthofkulisse, in der Dutzende von Webblys zusammengeschlagen wurden, während Lu irgendwo dort drüben tot oder sterbend in einem Wartungsschacht lag.
    Er bog nach links, wie Jie es getan hatte, und sah sie gerade noch in eine enge Gasse verschwinden. Er war sich nicht sicher, wie er ihrer Weisung, Abstand zu halten, auf so engem Raum nachkommen konnte, doch es war ihm egal. Er würde nicht versuchen, auf eigene Faust aus dem Labyrinth des kantonesischen Viertels zu entkommen.
    Sobald er die Gasse betrat, bereute er seinen Entschluss. Wenn jetzt ein Polizist hineinsah, konnte er ihn gar nicht übersehen. Er kämpfte sich vorwärts und schaute dabei so oft über die Schulter, dass er stolperte und auf den nassen, stinkenden Beton gestürzt wäre, hätte er sich nicht mit beiden Händen an den Wänden rechts und links von sich abgestützt. Jie, die vor ihm ging, erreichte soeben das andere Ende der Gasse und bog nach rechts ab. Er beeilte sich, zu ihr aufzuschließen.
    Gerade, als er selbst das Ende der Gasse erreichte, hörte er erst drei Schüsse, dann eine ganze Salve, so viele, dass er die Schüsse nicht zählen konnte. Er erstarrte, aber die Geräusche kamen von weiter hinten, wo die anderen Webblys waren. Sie konnten nur eines bedeuten. Er biss sich auf die Lippen, kämpfte gegen eine plötzliche Übelkeit an und stolperte weiter Jie hinterher.
    Sie lief schnell – zu schnell; mehr als einmal hätte er sie fast verloren. Irgendwann betrat sie eine U-Bahn-Station. Er folgte ihr, kaufte sich eine Karte bis ans Ende der Strecke (er hatte die Fahrkartenautomaten schon vorher benutzt, sie waren auf Chinesisch und Englisch beschriftet), zahlte mit ein paar Scheinen, und die Maschine spuckte eine Plastikmarke aus, die wie ein Pokerchip aussah. Wei-Dong hielt die Marke an den Kontakt des Drehkreuzes und hastete gemeinsam mit den Arbeitern auf dem Weg zur Frühschicht die Treppe hinab.
    In der U-Bahn bezog er an einer der Türen Position und vertiefte sich in eine kleine abgegriffene Karte Shenzhens, wie es sie an den Haltestellen gratis zum Mitnehmen gab. Es war die perfekte Tarnung, fast eine Art Unsichtbarkeit. Es gab immer ein oder zwei Gweilos, die mit einer solchen Karte in der U-Bahn standen und von den Scharen herausgeputzter Fabrikarbeiterinnen

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