For the Win - Roman
trockenen, schwieligen Hände der Alten griffen nach ihren und drückten sie. »Ihr wart sehr tapfer«, sagte Mrs. Rukmini. »Stell uns doch deine Freunde vor.«
Sie redeten die ganze Nacht, die Frauenbäckerei brachte Essen, und es gab Chai. Und weil sie viel zu viele Leute für das kleine Café waren, breitete sich die Party bald über die ganze Straße aus. Mala und ihre Soldaten kämpften in Schichten noch die ganze Nacht, in ihren Pausen aber mischten sie sich unter die Feiernden, schlossen neue Freundschaften, führten ihre Gäste herum und erklärten ihnen, was sie taten und wie sie es taten.
Dann kamen Reporter und stellten ihnen Fragen, und in Windeseile breiteten sich die wildesten Gerüchte durch Dharavi aus und nahmen immer mehr an Fahrt auf, als die Hähne schon zu krähen begannen und die ersten Frühaufsteher sich auf den Weg zum nächsten Wasserhahn machten. Es war unmöglich, in diesen Stunden irgendwo hinzugehen, ohne dass man die Geschichten hörte: über den Mut der Kinder, die Tapferkeit der Arbeiter, die Bösartigkeit des finsteren Banerjee in seinem schicken Anzug, und die üblen Schläger, die er mitgebracht hatte. Es war eine Geschichte wie aus dem Kino, und jeder, an dessen Ohr sie drang, war begierig darauf, sie weiterzuerzählen.
Am nächsten Morgen kamen Malas und Yasmins Eltern vorbei. Die Mädchen saßen vor dem Café und waren noch ziemlich erschlagen von der beispiellosen Feier. Die Eltern wussten nicht recht, was sie von all dem halten sollten, doch sie waren sichtlich stolz auf ihre Töchter, selbst Yasmins Vater. Yasmin schien überrascht, als hätte sie eher damit gerechnet, geschlagen zu werden.
Während ihre Mütter sie an sich drückten, schauten Mala und Yasmin einander an. Mala sah einen Schatten auf dem Gesicht ihrer Freundin und wusste genau, dass sie an den kleinen Jungen dachte, der gestorben war.
Woher Mala das wusste? Weil sie selbst immerzu an ihn denken musste – und daran, dass sie Mitschuld an seinem Tod trug. Auch wenn sie noch so viele Sitzblockaden machte und den Schlägern mit moralischer Überlegenheit statt Gewalt trotzte: Es würde ihr Karma nicht vom Tod dieses Jungen reinwaschen, wie ihr klar war.
Dann küsste Mamaji sie auf die Stirn und flüsterte ihr etwas ins Ohr, und ihr kleiner Bruder tauchte hinter ihren Röcken auf und wollte herumgeführt werden und alles erklärt bekommen. Er starrte sie mit einer derartigen Ehrerbietung an, dass sie dachte, er würde gleich platzen. Einen Moment lang war die ganze Welt in Gold getaucht.
Ashok warf ihr aus seinem kleinen Büro heraus einen Blick zu. Sie wusste, er redete gerade mit den Gewerkschaftsführern und Schwester Nor, und etwas Großes braute sich zusammen, größer noch als das Wunder, das er gerade schon bewirkt hatte. Sie ließ ihren Bruder in der Obhut einiger Jungen, die ihm bereitwillig ein paar Grundlagen beibrachten und sich in seiner unverhohlenen Bewunderung sonnten. Dann schlüpfte sie in Ashoks Büro, befreite einen Stuhl von einem Stapel Papiere und nahm neben ihm Platz.
»Das war unglaublich«, sagte sie. »Einfach unglaublich.« Sie sagte es ruhig und mit voller Überzeugung. »Du bist unser Retter.«
Er zog die Nase hoch und rieb sich verwundert die Augen. »Mein General, Ihr selbst vollbringt jeden Tag Unglaubliches! All diese Leute sind nur deshalb gekommen, weil ich vorweisen konnte, was Ihr schon geleistet habt: Ihr habt diese Kinder, diese Slumratten, in eine disziplinierte Streitmacht im Kampf gegen das Unrecht verwandelt.«
Sie verzog das Gesicht. »Ich bin bloß blutdurstig«, winkte sie ab. »Ich bin einfach eine von denen, die immerzu kämpfen müssen.« Wieder dachte sie an den toten Jungen. Sein Blut war noch immer unter Ashoks Fingernägeln.
Einen Moment nur berührte er sie am Arm. Die Geste war mitfühlend und zärtlich. Niemand hatte sie je so berührt. Das brachte den Staudamm in ihr ins Wanken, den sie gegen all den Schmerz, die Angst und die Scham errichtet hatte. Plötzlich musste sie rausrennen, einfach nur raus. Hinter der nächsten Ecke fing sie hemmungslos zu weinen an, und beinahe hätte sie ihren Schmerz laut hinausgeschrien. Sie hörte, dass ein paar der anderen nach ihr suchten, doch sie verhielt sich still. Sie wollte nicht gefunden werden. Dann stellte sie auf einmal fest, dass sie sich am gleichen Ort versteckt hielt wie damals, auf der Flucht vor Mrs. Dottas Neffen, und das brach einen weiteren Damm in ihr. Es brauchte lange Zeit, bis sie sich
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