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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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ihn schon nach draußen zum makellosen kleinen Huawei seines Vaters brachte. Sein Vater kaufte sich jedes Jahr einen neuen, denn er bekam einen saftigen Rabatt von der Fabrik, die das bestellte Auto dann in einen Container der Goldberg Shipping & Logistics verfrachtete und auf eines der Goldberg-Schiffe im Hafen von Guangzhou hievte.
    Das Auto roch nach den schwarzen Lakritzbonbons, die sein Vater ständig lutschte, und nach der riesigen Edelstahlthermoskanne, die er jeden Morgen in den Getränkehalter stellte und über den Tag verteilt an verschiedenen Diners nachfüllte, wo man ihn schon beim Vornamen kannte und anschreiben ließ.
    Vor dem Fenster mit seiner zartgrau getönten Scheibe rasten die Straßen von Anaheim vorbei, Reihe auf Reihe identischer Häuser, die von der Lebensader des riesigen, achtspurigen Highways abzweigten. Leonard kannte diese Straßen schon sein ganzes Leben lang, war sie abgelaufen, hatte die Schnorrer getroffen, die von den Touristen lebten, die fußlahmen Disney-Angestellten, die die knappe Meile bis zur Arbeit trampten, wenn sie mal ihr Shuttle verpassten, die kauzigen Rentner, die ihre Hunde ausführten, und all die anderen heranreifenden Orange-County-Zombies, die zu jung oder zu arm oder zu glücklos für ein eigenes Auto waren.
    Der Himmel hatte das klare Blau, das typisch für OC war: keine Wolken, eine Smiley-Sonne wie auf einer Ansichtskarte, fast senkrecht zur Mittagszeit, das ideale Touristenmotiv. Leonard sah es alles wie zum ersten Mal, sah es wirklich – denn er wusste, dass er es zum letzten Mal sah.
    »Alles halb so wild«, sagte sein Vater. »Hör auf, so zu tun, als müsstest du ins Gefängnis. Es ist bloß ein protziges Internat, verdammt, keine dieser Schulen, wo sie dich unter der Dusche verprügeln. Das sind praktisch alles Hippies da oben. Deine Mutter und ich schicken dich schon nicht ins sibirische Arbeitslager.«
    »Ist mir egal, was du sagst, Dad. Vergiss es einfach. Hier sind die Fakten: Du entführst mich von meiner Schule und schickst mich zu irgendwelchen Leuten, die mir ›helfen‹ sollen. Mir hast du in der Sache überhaupt kein Mitspracherecht eingeräumt. Du hast mich nicht angehört. Du kannst sagen, dass du mich lieb hast und es nur zu meinem eigenen Besten geschieht, du kannst reden, so viel du willst, aber es ändert nichts an den Fakten. Ich bin siebzehn, Dad. Genauso alt wie Zaidy Shmuel, als er Bubbie heiratete und nach Amerika kam, weißt du das eigentlich?«
    »Das war während des Krieges … «
    »Na und? Er war dein Großvater , und er war alt genug, eine Familie zu gründen. Du kannst deinen Arsch darauf verwetten, dass er sich nicht einfach hätte kidnappen lassen.«
    Leonards Vater schnaubte.
    »Ganz recht, kidnappen , weil die Hobbys des Sohns nicht den Vorstellungen seiner Eltern entsprechen. Gott! Was ist eigentlich los mit dir? Ich wusste ja immer, dass du irgendwie ein Arschloch bist, aber das … «
    Gelassen wechselte sein Vater dreimal die Spur, jedes Mal mit einem kurzen Schulterblick, fädelte sich durch den Touristenverkehr und die Pick-ups der Straßenmeisterei, ohne ein einziges Hupen zu provozieren, und hielt am rechten Straßenrand. Er zog die Handbremse an, löste mit der anderen Hand den Sicherheitsgurt und beugte sich so weit zu Leonard hinüber, dass ihre Gesichter einander fast berührten.
    »Du bewegst dich auf verdammt dünnem Eis, junger Mann. Du kannst mich gerne zum Bösewicht stempeln, wenn du das nötig hast, aber irgendwo in diesem hormonvernebelten Teenagerhirn weißt du genau, dass du dir das selbst zuzuschreiben hast. Wie oft, Leonard? Wie oft haben wir uns über eine ausgewogene Lebensführung unterhalten? Dass du deine Noten im Griff behältst und ein bisschen weniger spielst? Wie viele Chancen haben wir dir gegeben, bevor es zu dem hier kam?«
    Leonard lachte heiser. Tränen der Wut stiegen in ihm hoch und wollten heraus. Er schluckte schwer. »Gekidnappt«, sagte er. »Entführt und verfrachtet, weil du meinst, dass meine Englisch- und Mathenoten nicht gut genug sind. Als ob irgendwas davon wichtig wäre – wann hast du denn zuletzt eine quadratische Gleichung gelöst, Dad? Wen kümmert’s denn, ob ich auf eine gute Uni komme? In was soll ich denn einen Abschluss machen, dass ich die nächsten zwanzig Jahre überlebe? Was hast du noch mal studiert, Dad? Oh richtig, Alte Sprachen . Schätze, dass du das ziemlich gut gebrauchen kannst, wenn du deine Container voll Plastikmüll nach China verschiffst,

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