Forbidden
Sie strengt sich wirklich an, um mich aufzuheitern.
»Vielleicht keine so schlechte Idee …« Ich versuche mir Willa als Supermodel auf einem Laufsteg vorzustellen, vielleicht lockt das bei mir ja wirklich ein Lächeln hervor. »Eigentlich großartig! Du kannst, ähm, ihre Stylistin werden, und ich werde ihr Manager.«
Aber dann entsteht wieder ein Schweigen zwischen uns. An Mayas Miene kann ich ablesen, dass sie den Fehlschlag ihres gut gemeinten Versuchs bemerkt. Sie streichelt weiter meine Hand und fährt in ernstem Tonfall fort: »Hör zu, Lochan. Wir wissen doch noch gar nicht, wie es mit Mum und den ganzen Geldfragen weitergeht. Selbst wenn sie Dave tatsächlich heiratet und versucht, uns immer weniger zu geben, könnten wir ihr doch damit drohen,dass wir vor Gericht gehen, um sie wegen Vernachlässigung ihrer Erziehungspflichten zu verklagen. Sie ist zu dumm, um zu kapieren, dass wir das nie machen würden, weil wir Angst vor dem Jugendamt haben und auf keinen Fall auseinandergerissen werden wollen. Außerdem können wir jederzeit ihre Beziehung zu Dave ruinieren. Deine Drohung, wir würden alle miteinander bei Dave auftauchen, hat doch bisher gut funktioniert, oder? Danach hat sie doch bisher immer gezahlt. Und drittens wird sich ganz viel geändert haben, bis du mit der Uni fertig bist. Willa wird dann fast neun sein und Tiffin ein Teenager. Sie werden allein zur Schule gehen, sie werden ihre Hausaufgaben selber machen. Kit hat bis dahin vielleicht auch mehr begriffen, und wenn nicht, werden wir darauf bestehen, dass er sich entweder einen Job sucht und auszieht oder sich mehr am Haushalt beteiligt – selbst wenn wir ihn dafür ebenfalls erpressen müssen.« Sie lächelt, hebt meine Hand an ihren Mund und küsst sie. »Die schwierigste Phase ist jetzt, Lochie, weil das mit Mum alles so ein Chaos ist und Tiffin und Willa noch so klein sind. Aber das kann nur besser werden, es wird für uns alle bald leichter sein, und wir beide, du und ich, werden bald mehr Zeit füreinander haben. Glaub mir, Lochie, ich hab auch darüber nachgedacht, und ich sag das nicht nur so dahin, um dich aufzumuntern.«
Ich schaue sie an und spüre, wie der Druck, der auf mir lastet, geringer wird. »So hab ich das noch gar nicht betrachtet …«
»Weil du immer nur vom Schlimmsten ausgehst! Und weil du immer nur allein vor dich hin grübelst.« Sie schüttelt den Kopf und lächelt. »Du vergisst nämlich immer das Wichtigste!«
Ich lächle zurück. »Und was?«
»Mich«, verkündet sie mit einer weit ausholenden Armbewegung, bei der sie die Milch auf dem Tisch umstößt. Zum Glück ist die Packung fast leer.
»Dich und deine Fähigkeit, die Dinge in Bewegung zu bringen!« Ich lächle.
»Ja, genau!«, sagt sie. »Und vergiss nie das Wichtigste: dass ich nämlich da bin, um das alles gemeinsam mit dir durchzustehen. Das sind unsere gemeinsamen Sorgen! Wir haben das bisher alles gemeinsam bewältigt, und in Zukunft wird es erst recht so sein. Selbst wenn deine schlimmsten Befürchtungen sich bewahrheiten sollten, wirst du nicht allein sein.« Ihre Stimme wird leiser, sie blickt auf unsere Hände, auf unsere ineinander verschränkten Finger. »Was auch immer geschieht, wir sind nicht allein. Wir haben uns.«
Ich nicke stumm und bringe plötzlich kein Wort mehr heraus. Ich möchte ihr sagen, dass sie sich nicht an mich und meine Last mit der Familie gebunden zu fühlen braucht. Ich möchte ihr sagen, dass sie meine Hand loslassen muss, wenn sie allein schwimmen lernen will. Ich möchte ihr sagen, dass sie ihr eigenes Leben leben muss. Aber ich spüre, sie weiß das alles. Sie weiß, welche Möglichkeiten ihr offenstehen. Und ich spüre, dass sie ebenfalls ihre Wahl getroffen hat.
Zwanzigstes Kapitel
Maya
»Fünfzehn Minuten«, bettelt Francie. »Komm schon! Na gut, dann zehn. Lochan weiß, dass du lange Unterricht hast, zehn Minuten mehr machen da doch keinen so großen Unterschied!«
Ich blicke in das erwartungsvolle Gesicht meiner Freundin, und einen Moment lang spüre ich die Versuchung, ihr die Bitte zu erfüllen. Eine eisgekühlte Cola und vielleicht noch ein Muffin bei Smiley’s , während Francie versucht, den neuen jungen Kellner auf sich aufmerksam zu machen, für den sie dort schwärmt … die Hektik zu Hause mit Hausaufgaben, Abendessen, Baden und das Ins-Bett-Bringen noch etwas aufschieben … das alles fühlt sich wie ein unglaublicher Luxus an …
»Ruf Lochan einfach kurz an!«, sagt Francie, als wir
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