Forbidden
Leibesvisitation wird vorgenommen, und als die Hände des Officers meinen Körper abtasten und die Beine hinabgleiten, fange ich so stark zu zittern an, dass ich mich an der Tischkante festhalten muss.
In dem kleinen Vorraum werde ich auf einen Stuhl gesetzt: Fotos werden von mir gemacht, aus meinem Mund wird mit einem Wattestäbchen eine Speichelprobe entnommen. Dann werden meine Finger nacheinander erst auf ein Stempelkissen und dann auf die Felder einer Karteikarte gedrückt. Mich überwältigt ein Gefühl vollkommener Entfremdung. Ich bin für diese Leute nur noch ein Objekt. Ich bin kaum mehr ein Mensch.
Ich bin froh, als ich endlich in eine Zelle gestoßen werde und die schwere Tür hinter mir zufällt. Zu meiner großen Erleichterung bin ich dort allein. Der Raum ist klein und eng und enthält nicht mehr als ein schmales Bett an der Wand. Knapp unterhalb der Decke befindet sich ein vergittertes Fenster, aber das harte, viel zu helle Licht kommt von einer Leuchtstoffröhre an der Decke. Die Wände sind voller Graffiti und offensichtlich mit Exkrementen beschmiert. Der Gestank ist unerträglich, viel schlimmer als in der schlimmsten öffentlichen Toilette. Ich atme durch den Mund, damit es mich nicht gleich würgt.
Erst nach einer Ewigkeit schaffe ich es, in das Metallklo zu pinkeln. Jetzt, wo ich ihre Blicke nicht mehr auf mich gerichtet spüre, will das Zittern gar nicht mehr aufhören. Zugleich fürchte ich, dass jeden Moment wieder ein Polizist hereinplatzt, und auchdas kleine Fenster in der Tür mitsamt der Klappe darunter kann ich keinen Augenblick vergessen. Woher weiß ich eigentlich, dass ich nicht in dieser Sekunde beobachtet werde? Normalerweise bin ich nicht übertrieben prüde, aber seit ich in Boxershorts aus dem Bett gezerrt und halb nackt von zwei Polizisten in mein Zimmer geführt wurde, seit ich gezwungen war, mich in ihrer Gegenwart anzuziehen, wünschte ich mir, meine Nacktheit für immer bedecken zu können. Seit mir die grässliche Untat, der ich bezichtigt werde, in den Ohren gellt, schäme ich mich meines Körpers, schäme ich mich dessen, was er getan hat – dessen, was er in den Augen der anderen getan hat.
Ich drücke auf die Klospülung, kehre zu der dicken Metalltür zurück und presse mein Ohr dagegen. Rufe hallen den Korridor entlang, das Fluchen eines Betrunkenen, nicht enden wollende Klagelaute. Alles scheint wie aus weiter Ferne zu mir zu dringen. Wenn ich mich mit dem Rücken an die Tür lehne, kann der Polizist, der durch das kleine Fenster blickt, wenigstens nicht mein Gesicht sehen.
Kaum habe ich ein klein wenig geschützte Privatsphäre, bricht in mir alles zusammen, und die Bilder und Erinnerungen überfluten mich. Ich stürze zum Bett. Aber meine Knie geben nach, bevor ich es erreiche. Ich sinke auf den Betonboden und kralle meine Finger in das feste, abwaschbare Laken, das auf die Matratze genäht ist. Ich zerre so heftig daran, dass ich befürchte, es kaputt zu machen. Es zerreißt mich fast vor Tränen, ich krümme mich und presse mein Gesicht gegen das stinkende Bett, um die Laute, die mir aus Nase und Mund dringen, abzudämpfen. Die Schluchzer erschüttern meinen ganzen Körper. Mit solcher Macht, dass ich das Gefühl habe, von ihnen noch zerfetzt zu werden. Diegesamte Matratze erbebt, bei jedem neuen Schluchzer stoße ich gegen den harten Metallrahmen des Betts, ich huste, glaube zu ersticken, ringe nach Luft, kann aber den Kopf nicht heben, weil ich fürchte, dann zu viel Lärm zu machen. Noch nie haben Tränen mir so wehgetan. Ich möchte unter das Bett kriechen, damit niemand mich so sieht, doch dafür ist der Spalt viel zu schmal. Ich kann noch nicht mal das Bettlaken hochheben, um es über meinen Körper zu ziehen – nirgendwo kann ich mich verstecken.
Ich höre Kits angsterfüllte Schreie, sehe seine Fäuste vor mir, wie sie gegen das Autofenster hämmern, sehe seine schmale Gestalt dem Polizeiauto nachrennen, wie er verzweifelt versucht, mich nicht fortgehen zu lassen, und sein ganzer Körper in sich zusammenfällt, als er seine Hilflosigkeit erkennen muss. Ich denke an Tiffin und Willa, die jetzt bei Freddie und Susie sind, wahrscheinlich mit ihnen durchs Haus tollen und keine Ahnung davon haben, was sie bei ihrer Rückkehr erwartet. Wird man ihnen sagen, was ich getan habe? Wird man ihnen auch Fragen stellen? Wird man von ihnen wissen wollen, wie das war, wenn ich mit ihnen gekuschelt, sie gekitzelt und ins Bett gebracht habe, wenn ich sie gebadet
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