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Forbidden

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Titel: Forbidden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tabitha Suzuma
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aufzupassen, wenn sie sie ins Bett gebracht hat und dann zur Arbeit gegangen ist. Vielleicht nicht gerade eine ideale Situation, eine alleinerziehende Mutter mit fünf Kindern. Aber keine Situation, die jeden normalen Rahmen völlig sprengt. Sie wollen alles Mögliche vonmir wissen, die Anzahl der Zimmer in unserem Haus, auf welche Schulen wir gehen, unsere Noten, unsere Wahlfächer, unsere Freizeitaktivitäten – und dann fällt schließlich die Frage:
    »Wann hatten Sie das erste Mal sexuellen Kontakt mit Ihrer Schwester Maya?« Der Kommissar blickt mich dabei genauso direkt an wie vorher, und seine Stimme ist genauso ausdruckslos, aber plötzlich scheint er mich viel aufmerksamer zu beobachten. Er wartet auf eine Veränderung in meinem Gesicht.
    Das Schweigen hängt schwer in der Luft, nimmt ihr allen Sauerstoff. Ich spüre, wie ich schneller atme, wie meine Lungen nach Luft schnappen. Schweiß läuft mir übers Gesicht, und bestimmt kann er die Furcht in meinen Augen sehen. Ich bin erschöpft, und mir tut alles weh, und ich müsste wieder dringend pinkeln, aber die Vernehmung wird so bald nicht zu Ende sein.
    »Wenn – wenn Sie sagen ›sexueller Kontakt?‹, meinen Sie dann – dann so was wie Empfindungen oder wann ich sie das erste Mal, also wann ich sie das erste M-Mal b-berührt habe oder –?«
    »Das erste Mal, dass Sie sich ihr in eindeutig sexueller Absicht gezeigt, genähert oder sie berührt haben.« Die Stimme des Kommissars ist härter geworden, seine Kiefer pressen sich aufeinander, und die Wörter kommen wie Kugeln aus seinem Mund geschossen.
    Ich kämpfe mich durch den Nebel und die Panik in mir. Ich muss ihm die richtige Antwort geben. Es ist ganz wichtig, dass ich ihm die richtige Antwort gebe, damit das alles mit Mayas Erzählungen übereinstimmt. Sexueller Kontakt – aber was meint das genau? Unser erster Kuss am Abend nach Mayas Date mit DiMarco? Oder schon vorher, als wir miteinander getanzt haben?
    »Beantworten Sie bitte meine Frage!« Der Druck steigt. Erglaubt, dass ich mir zurechtlege, was ich sagen will, um mich von meiner Schuld reinzuwaschen, dabei ist genau das Gegenteil der Fall.
    »Ich – ich bin mir nicht mehr sicher, wann es genau war. Ich glaube, irgendwann im November. Ja, im November –« Oder war es im Oktober? Ich bringe jetzt schon alles durcheinander, wie wird das dann noch weitergehen?
    »Beschreiben Sie, was geschehen ist.«
    »Ja, also sie – sie ist von einem Date mit einem Jungen aus meiner Klasse nach Hause gekommen. Wir – wir … Es gab einen heftigen Streit zwischen uns, weil ich sie aushorchen wollte. Ich habe mir Sorgen gemacht, weil … Ich meine, ich war wütend, weil … Ich wollte wissen, ob sie mit dem Jungen geschlafen hatte. Das hat mich total aufgeregt –«
    »Was meinen Sie mit ›total aufgeregt«?«
    Nein. Bitte nicht.
    »Ich – ich habe angefangen zu heulen …« Wie es jetzt gleich der Fall sein wird, allein die Erinnerung an den Schmerz und die Qual damals in der Nacht reicht aus. Ich drehe den Kopf zur Wand, beiße mir auf die Zunge, aber der Schmerz, den ich dabei verspüre, reicht nicht aus. Kein körperlicher Schmerz kann meine seelische Qual betäuben. Die Befragung dauert erst fünf Minuten, und in mir bricht bereits alles zusammen. Ich löse mich auf, ich falle auseinander. Es ist hoffnungslos, alles ist hoffnungslos. Ich werde Maya verraten und im Stich lassen, ich werde sie alle im Stich lassen.
    »Und was ist dann geschehen?«
    Ich wende alle Tricks an, die ich kenne, um die Tränen zurückzuhalten, aber nichts hilft. Der Druck in meinen Augen steigt,und ich merke an der Miene des Kommissars, dass er glaubt, ich möchte etwas Zeit schinden, um mir eine Lüge zurechtlegen zu können, um Gewissensbisse vortäuschen zu können.
    »Und was ist dann geschehen?« Diesmal fragt er lauter.
    Ich zucke zusammen. »Ich – ich hab zu ihr gesagt – ich hab versucht zu – ich hab gesagt, sie soll – ich hab sie gezwungen zu –«
    Ich kann die Worte nicht herausbekommen, obwohl ich das möchte, obwohl ich mir wünschte, ich könnte meine Lüge von den Dächern herunterschreien, um Maya zu retten. Ich fühle mich wieder, als wäre ich gezwungen, vor der ganzen Klasse laut zu sprechen, die Wörter verklumpen sich in meiner Kehle, das Gesicht brennt mir vor Scham. Nur dass es diesmal nicht darum geht, ein Referat zu halten oder einen Aufsatz vorzulesen. Diesmal werde ich über die intimsten und vertraulichsten Augenblicke

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