Forbidden
immer hier verstecken, aber ich kann nicht. Ich muss gehen.
Maya und Francie stehen beim Briefkasten am Ende der Straße und reden in Maschinengewehrgeschwindigkeit miteinander, mit ihren Blicken mustern sie die Menge. Es verlangt mir alle Willenskraft der Welt ab, nicht umzukehren, aber Mayas erwartungsvoller Ausdruck lässt mich weitergehen. Ein freudiges Lächeln breitet sich in ihrem Gesicht aus, als sie mich entdeckt.
»Ich hab schon geglaubt, du kommst nicht!«, flüstert sie.
Ich lächle auch und nicke, Wörter strömen und sprudeln wie zerplatzende Blasen durch meinen Kopf.
»Na, dann wollen wir mal los!«, ruft Francie nach einem Moment unangenehmen Schweigens. »Gehen wir jetzt zu Smiley’s ?«
»Unbedingt«, sagt Maya und wendet sich zu ihrer Freundin, um ihr zu folgen. Ihre Hand berührt meine, wie um mich aufzumuntern und zu trösten – oder vielleicht sagt sie damit ja auch Danke schön.
Smiley’s ist um diese Zeit zum Glück noch leer. Wir setzen uns an einen kleinen runden Tisch am Fenster, und ich verstecke mich hinter der Speisekarte. Meine Zunge reibt über die raue Stelle unter meiner Lippe.
»Wollt ihr etwas essen?«, fragt Francie.
Maya schaut mich an, und ich schüttele unmerklich den Kopf.
»Sollen wir uns zusammen ein Knoblauchbrot bestellen?«, schlägt Francie vor. »Außerdem brauche ich jetzt unbedingt eine Cola.«
Maya lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und versucht, die Bedienung herbeizuwinken. Francie wendet sich zu mir. »Freust du dich, dass du bald aus Belmont rauskommst?«
Ich lege die Karte auf den Tisch und nicke mit einem gequälten Lächeln.
»Du hast echt so ein Glück«, fährt Francie fort. »Nur noch neun Monate, und dann hast du das alles hinter dir.«
Maya hat inzwischen bestellt und nimmt wieder an unserem einseitigen Gespräch teil, dessen Fortsetzung selbst Francie schwerfällt. »Lochan wird auf die UCL gehen«, verkündet sie stolz.
»Ähm, nein, ich – ich will mich dort bewerben –«
»Die nehmen dich todsicher.«
»Mann, du musst echt superklug sein!«, ruft Francie.
»Ist er auch«, verkündet Maya. »Er hat überall nur die besten Noten!«
»Echt Wahnsinn!«
Ich winde mich auf meinem Stuhl. Als meine Blicke die von Maya kreuzen, flehe ich sie stumm an, mit mir nach Hause zu gehen. Ich will Francie etwas antworten, die Sache runterspielen. Aber ich spüre, wie mir die Hitze ins Gesicht steigt und die Worte sich bei mir im Kopf verflüchtigen, bevor ich sie aussprechen kann.
Maya berührt mich sanft mit dem Ellenbogen. »Francie kann auch alles Mögliche«, sagt sie. »Sie ist die Einzige, die ich kenne, die mit ihrer Zunge die Nasenspitze berühren kann.«
Wir lachen alle. Ich kann wieder atmen.
»Glaubst du, das ist nur Spaß?«, meint Francie.
»Nein …«
»Das sagt er nur aus reiner Höflichkeit«, teilt Maya ihr mit. »Du musst es ihm beweisen.«
Francie lässt sich nicht lange bitten. Sie setzt sich kerzengeradehin, streckt die Zunge so weit wie möglich heraus, biegt sie nach oben und berührt damit ihre Nasenspitze. Ihre schielenden Augen vervollständigen das Bild.
Sogar ich muss lachen. Maya lehnt sich glücklich an mich. Francie ist wirklich in Ordnung. Wenn es nur nicht zu lange dauert, werde ich es überleben.
Plötzlich tut sich was an der Tür. Francie fährt in ihrem Sitz herum, eine Gruppe von Schülern aus Belmont kommt herein.
»Hallo, ihr!«, ruft Francie. »Hier rüber!«
Sie schieben sich in unsere Richtung. Es handelt sich um zwei Mädchen aus Mayas Klasse, einen Jungen aus einer Klasse darunter und Rafi, mit dem ich im selben Englischkurs bin. Alle begrüßen sich laut und klopfen sich gegenseitig auf die Schultern. Zwei Tische werden zusammmengerückt, noch mehr Stühle geholt.
»Whitely!«, ruft Rafi erstaunt. »Was machst du denn hier?«
»Ich, ähm, meine Schwester –«
»Er sitzt hier mit uns!«, ruft Francie. »Ist das verboten? Er ist Mayas Bruder, wusstest du das nicht?«
»Schon, aber ich hätte nie gedacht, dass er mal an so einem Ort aufkreuzt!« Er lacht überrascht auf, das ist von ihm nicht böse gemeint, aber alle schauen mich jetzt an, und die beiden anderen Mädchen tuscheln miteinander.
Maya stellt uns alle gegenseitig vor, doch ich höre zwar noch die Stimmen, aber was sie sagen, ergibt keinen Sinn mehr. Einem der beiden Mädchen, Emma, bin ich schon seit Beginn des Schuljahrs immer wieder auf dem Flur begegnet, als hätte sie es darauf angelegt, und jetzt will sie mich
Weitere Kostenlose Bücher