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Forbidden

Forbidden

Titel: Forbidden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tabitha Suzuma
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Und wie geht’s mit deinen Hausaufgaben?«, frage ich schnell.
    Er schiebt das dicke Buch angewidert weg und stößt einen gequälten Seufzer aus. »Ich blick da nicht so richtig durch. Und wenn Mr Parris durchblicken würde, dann müsste ich mir das auch nicht mit einem Buch aus der Bücherei selbst beibringen.«
    Ich seufze innerlich. Ich hatte gehofft, wir würden vielleicht zusammen rausgehen und irgendwas unternehmen – einen langen Spaziergang durch den Park machen oder heiße Schokolade bei Joe’s trinken oder sogar ins Kino gehen. Aber bis zu Lochans Probeexamen sind es nur noch drei Monate, und in den Weihnachtsferien zu lernen, wenn die Kleinen den ganzen Tag über zu Hause sind, wird für ihn der reinste Albtraum werden. Ich kann nicht sagen, dass ich mir um die Schule besonders viel Gedanken mache. Anders als Lochan habe ich einfach die Hauptfächer gewählt, die ich am leichtesten finde. Aber mein seltsamer großer Bruder hat sich aus Gründen, die nur er selbst kennt, dafür entschieden, genau die zwei Fächer zu wählen, die ihn am meisten herausfordern, nämlich Mathe und Physik, sowie außerdem noch Englisch und Geschichte, die beiden Fächer, in denen man lange Aufsätze schreiben muss. Mein Mitleid für ihn ist begrenzt: Wie unser Exvater ist er ein geborener Akademiker.
    Lochan nippt geistesabwesend an seinem Kaffee, greift wieder nach seinem Stift und fängt an, auf den erstbesten Zettel ein kompliziertes Diagramm zu zeichnen. Er versieht die einzelnen Abschnitte und Symbole mit unverständlichen Zeichen. Danach schließt er einen Moment die Augen, nimmt dann seine Skizze und vergleicht sie mit dem Diagramm im Buch. Er knüllt denZettel zusammen, schmeißt ihn durchs ganze Zimmer und fängt an, auf seiner Unterlippe zu kauen.
    »Vielleicht solltest du mal eine Pause machen«, schlage ich vor. Ich schaue von der Zeitung auf, die ich neben mir auf dem Boden ausgebreitet habe.
    »Warum zum Teufel schaffe ich es nicht, mir das zu merken?« Er blickt mich flehend an, als könnte ich ihm die richtige Antwort herbeizaubern. Ich betrachte sein blasses Gesicht, die Schatten unter seinen Augen und denke: Weil du erschöpft bist.
    »Soll ich dich abfragen?«
    »Ja, das wäre nett. Wenn ich das hier zu Ende gebracht habe.«
    Er wendet sich wieder seinem dicken Buch, den Diagrammen und seinen Notizen zu. Sein Blick ist konzentriert. Er nagt weiter an seiner Lippe. Ich überfliege die Zeitung, mir fällt plötzlich ein, dass tief unten in meiner Schultasche noch eine Französisch-Hausaufgabe auf mich wartet – aber nicht jetzt. Ich bin schon beim Sport angelangt und finde auch dort keinen Artikel, der mich interessiert. Weil mir langweilig ist, beuge ich mich weit vor und ziehe einen von Lochans Ringordnern vom Couchtisch herunter. Neidisch blättere ich darin herum, seitenweise lange Essays, alle mit Häkchen und Ausrufezeichen und Lob versehen – nichts als A- und A*-Noten. Ob ich vielleicht im nächsten Schuljahr einfach ein paar von Lochans Aufsätzen abschreiben sollte? Die Lehrer würden wahrscheinlich glauben, dass ich mich über Nacht in ein Genie verwandelt habe. Bei einer Kreatives-Schreiben-Aufgabe, noch nicht mal eine Woche her, bleibe ich hängen. Auch hier dieselben lobenden Anmerkungen am Rand. Aber der Kommentar ganz am Schluss macht mich neugierig:
    Eine sehr anschauliche, intensive Schilderung vom inneren Auf ruhr eines jungen Mannes, Lochan. Eine anrührend und schön erzählte Geschichte über Leid und die menschliche Psyche.
    Unter diesem in dicken Buchstaben geschriebenen Lob hatte seine Lehrerin noch hinzugefügt: Bitte ziehen Sie wenigstens in Erwägung, ob Sie den Text nicht vor der Klasse laut vorlesen möchten. Für die anderen Schüler wäre das eine wirkliche Bereicherung und für Sie selbst eine gute Übung vor Ihrem Referat.
    Meine Neugier wächst. Ich blättere zurück und fange an, Lochans Aufsatz zu lesen. Der Text handelt von einem jungen Mann, einem Studenten, der mitten im Sommer während der Semesterferien in die Universität kommt, um nachzusehen, ob er seine Prüfung geschafft hat. Er mischt sich unter die Menge, die sich vor den ausgehängten Listen mit den Ergebnissen drängt, und entdeckt zu seiner großen Überraschung, dass er als Einziger eine Eins erhalten hat. Aber statt sich zu freuen, verspürt er nur ein Gefühl der Leere, und als er fortgeht, scheint keiner der anderen Studenten, die sich gegenseitig trösten oder froh umarmen, von ihm Notiz zu

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