Forbidden
muss nächste Woche dieses verdammte Referat halten«, sagte er leise. »Ich weiß nicht … Maya, ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.« Er blickt mich Hilfe suchend an.
»Hast du gefragt, ob du stattdessen auch eine schriftliche Arbeit abgeben kannst?«
»Ja, aber nicht bei dieser verrückten Australierin. Ich sag dir, die hat’s echt auf mich abgesehen.«
»Wenn ich mir allerdings ihre Kommentare anschaue und die Noten, muss sie ziemlich viel von dir halten«, sage ich.
»Das mein ich auch nicht. Sie will … sie will mich in einen Redner verwandeln, glaub ich.« Er gibt ein gequältes Lachen von sich.
»Vielleicht ist es ja an der Zeit, dass du dich änderst«, meine ich sanft. »Nur ein kleines bisschen. Versuch’s doch mal. Nur ein bisschen. Und auf einmal geht’s, du wirst schon sehen.«
Ein langes Schweigen. »Maya, du weißt, ich kann nicht.« Er dreht den Kopf wieder zum Fenster. Auf der Straße üben zweiJungs Kunststücke mit ihren Fahrrädern. »Es … es ist so, als würden die anderen mich mit ihren Blicken verbrennen. Als wäre in meinem Körper keine Luft mehr. Ich fange an zu zittern, mein Herz pocht, und die Wörter – sie verschwinden einfach. Mein Kopf ist vollkommen leer, und ich kann nicht mehr entziffern, was ich geschrieben habe. Ich schaffe es nicht, laut genug zu sprechen, damit die anderen mich verstehen, und ich weiß, dass sie nur darauf warten … dass sie darauf lauern, wann ich zusammenklappe, damit sie was zu lachen haben. Sie wissen es alle … sie wissen alle, dass ich es nicht schaffe …« Er redet nicht weiter, blickt mich mit leeren Augen an, sein Atem geht flach und schnell, als hätte er schon zu viel gesagt. Mit dem Daumen reibt er immer wieder über die entzündete Stelle unter der Lippe. »Ich weiß, dass das nicht normal ist. Ich weiß, dass ich das ändern muss. Dass es nicht so bleiben kann. Und … und ich will das auch ändern, ich weiß, dass ich es schaffen werde. Ich muss. Wie soll ich sonst jemals einen Beruf ausüben? Ich werde einen Weg finden. Es wird nicht immer so mit mir bleiben …« Er atmet einmal tief durch, fährt sich durch die Haare.
»Natürlich wird das nicht immer so bleiben«, sage ich hastig. »Wenn du erst mal aus Belmont raus bist, dieses ganze blöde Schulsystem –«
»Aber an der Uni wird es auch nicht viel anders sein. Und im Beruf, danach …« Seine Stimme fängt zu zittern an, er wirkt verzweifelt.
»Hast du mit deiner Englischlehrerin darüber gesprochen?«, frage ich. »Sie wirkt doch ganz nett, oder? Vielleicht kann sie dir helfen. Dir ein paar Tipps geben. Nützlichere Dinge als die Psychologin, die sie dir damals aufgedrückt haben – die mit dirAtemübungen gemacht und dich gefragt hat, ob du als Baby gestillt worden bist.«
Er fängt noch vor mir zu lachen an. »Oh Gott, die hatte ich schon fast vergessen! Das war wirklich eine Spinnerin!« Dann sagt er ruhiger: »Aber es ist einfach … es ist einfach … ich kann nicht … ich kann wirklich nicht.«
»Das redest du dir ein, Lochie«, sage ich ruhig und bestimmt. »Du unterschätzt dich da gewaltig. Ich weiß, dass du es fertigbringen kannst, vor der Klasse etwas laut vorzulesen. Vielleicht nicht gleich ein ganzes Referat, aber du kannst mit deiner Lehrerin ja ausmachen, dass du einen anderen von deinen Aufsätzen vorliest. Was Kürzeres, weniger Persönliches. Du weißt doch, das ist wie mit allen anderen Dingen auch: Wenn du einmal den ersten Schritt gemacht hast, ist der nächste viel einfacher.« Ich lächle. »Weißt du, wer mir das als Erster gesagt hat?«
Er schüttelt den Kopf und verdreht die Augen. »Keine Ahnung. Stammt das von Martin Luther?«
»Du, Lochie. Als du versucht hast, mir Schwimmen beizubringen.«
Er lächelt kurz, als er sich daran erinnert. Dann atmet er langsam aus. »Okay. Vielleicht könnte ich es ja versuchen …« Er grinst mir zu. »Die weise Maya hat gesprochen.«
»So ist es!« Ich springe plötzlich auf und beschließe, dass an unserem freien halben Tag auch etwas Spaß angesagt ist. »Und als Dank für meine unendliche Weisheit möchte ich, dass du etwas für mich tust!«
»Oh weh!«
Ich stelle das Radio an, suche nach dem richtigen Sender. Dann stelle ich mich vor Lochan hin und strecke die Arme aus. Er stöhntund lässt den Kopf auf das Sofapolster fallen. »Oh, Maya, bitte nicht! Das meinst du nicht im Ernst!«
»Wie kann ich ohne Partner üben?«, frage ich.
»Ich hab gedacht, du hättest das mit
Weitere Kostenlose Bücher