Forbidden
am Abend vorher in mein Zimmer kam, um mir Gute Nacht zu sagen – mein Essen habe sie in den Kühlschrank gestellt –, brachte ich es nicht einmal fertig, den Kopf zu ihr umzudrehen. Heute Morgen brüllte ich Willa beim Frühstück so an, dass sie schließlich heulte, zerrte Tiffin mit aller Gewalt zur Tür hinaus, egal, ob ich ihm dabei wehtat oder nicht, behandelte Kitwie Luft und fuhr Maya an, als sie mich zum dritten Mal fragte, was denn mit mir los sei … Ich erkenne mich selbst nicht mehr wieder. Ich finde mich selbst so abstoßend, dass ich am liebsten aus meiner eigenen Haut fahren würde. Und dauernd muss ich an den Nachmittag mit Maya denken: an unseren Tanz, ihr Gesicht, ihre Berührung, meine Erregung. Ich sage mir, dass so was vorkommen kann. Wahrscheinlich passiert das gar nicht mal so selten. Schließlich bin ich siebzehn – in dem Alter kann einen alles erregen. Und nur, weil das zufällig auch mal passiert ist, als ich mit Maya getanzt habe, muss das doch noch nichts heißen. Aber ich kann mir das so oft vorsagen, wie ich will, es beruhigt mich nicht. Ich will mir selbst entfliehen, weil die Wahrheit lautet: Das Gefühl ist immer noch da – vielleicht war es ja auch schon immer da –, und jetzt, wo ich das erkannt habe, kann ich nicht mehr zurück, egal, wie sehr ich das möchte. Ich kann nicht mehr ungeschehen machen, dass ich weiß, was ich für Maya empfinde.
Nein, das ist lächerlich. Mir fehlt nur eine andere Person, die meine Aufmerksamkeit fesselt, ein Objekt der Begierde, wie man so schön sagt, irgendein Mädchen, auf das ich meine Phantasien richten kann. Ich blicke mich im Klassenzimmer um, aber ich finde keines. Attraktive Mädchen – ja. Ein Mädchen, das mir wichtig wäre – nein. Es reicht nicht, wenn sie nur ein Gesicht und einen Körper hat; da muss mehr sein, irgendeine Art von Verbindung. Und das schaffe ich nicht. Ich schaffe es nicht, zu den anderen Verbindung aufzunehmen. Zu niemandem.
Ich schicke Maya eine SMS, in der ich sie bitte, Tiffin und Willa abzuholen, dann schwänze ich die letzte Stunde, gehe schnell nach Hause, ziehe meine Laufsachen an und mache mich in den Park auf. Dort drehe ich auf den aufgeweichten Wegenmeine Runden. Nach einem prächtigen, sonnigen Wochenende ist der Montag jetzt nass, grau und erbärmlich: kahle Bäume, die letzten traurigen Herbstblätter, Schlamm und Matsch. Die Luft ist mild und feucht, Nieselregen weht mir ins Gesicht. Ich laufe so schnell und so lange, wie ich kann, bis der Boden unter meinen Füßen zu pulsieren beginnt und die Welt um mich herum sich ausdehnt und zusammenzieht, ausdehnt und zusammenzieht und ich blutrote Flecken vor mir sehe. Schließlich kann ich nicht mehr, ein Schmerz fährt durch meinen Körper und zwingt mich, aufzuhören. Ich kehre nach Hause zurück, stelle mich unter die eiskalte Dusche und setze mich an meinen Schreibtisch, bis die anderen zurückkehren und die Abendroutine beginnt.
Eine Halbzeit lang spiele ich auf der Straße Fußball mit Tiffin und seinen Freunden, was auch ein Manöver ist, um einem Gespräch mit Kit zu entgehen, und danach noch endlos Verstecken und Ich sehe was, das du nicht siehst! mit Willa. Später, als mein Kopf beim Lernen keine neuen Informationen mehr aufnehmen kann, räume ich in der Küche die Schubladen und Schränke auf. Dann gehe ich in Tiffins und Willas Zimmer, sortiere Kleidungsstücke aus, die ihnen inzwischen zu klein geworden sind, und kaputte Spielsachen, um sie am nächsten Tag fortzubringen. Ich bin entweder am Spielen mit den Kleinen oder am Aufräumen oder am Kochen oder am Lernen: Bis spät in die Nacht wiederhole ich den Lernstoff, brüte ich über meinen Büchern, um dann todmüde ins Bett zu fallen und einen kurzen, tiefen, traumlosen Schlaf zu schlafen. Maya macht ein paar Bemerkungen über meine schier unerschöpfliche Energie, aber in Wirklichkeit fühle ich mich leer und taub, abgrundtief erschöpft von der Anstrengung, mich ständig beschäftigt zu halten. Ich will nur noch handeln und nicht mehr denken.
In der Schule ist Maya mit ihren eigenen Kursen beschäftigt. Falls sie einen Unterschied in meinem Verhalten ihr gegenüber bemerkt, erwähnt sie es nicht. Vielleicht ist ihr die Erinnerung an den Nachmittag selbst auch unangenehm. Vielleicht spürt sie wie ich, dass zwischen uns mehr Distanz nötig ist. Wir gehen miteinander um, als würden wir barfuß über Glasscherben laufen, beschränken unsere kurzen Wortwechsel auf
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