Forbidden
mehr, wie ich es geschafft habe, so lange mit Maya zusammenzuleben und jeden Tag ihre Gegenwart zu spüren, ohne diese Nähe, die neu zwischen uns entstanden ist und von der ich nun noch viel mehr haben will …
Sechzehntes Kapitel
Maya
Am Ende geht es nur darum, wie viel man ertragen kann, wie viel man aushalten und durchstehen kann. Wenn wir zusammen sind, tun wir niemandem was; wenn wir getrennt voneinander sind, löschen wir uns selbst aus. Ich wollte stark sein – wollte Lochan zeigen, dass ich nach dieser ersten Nacht, in der wir uns geküsst haben, von ihm weg konnte, wenn ihm das auch gelang; dass ich mich mit einem anderen Jungen ablenken konnte, wenn er dazu mit einem anderen Mädchen in der Lage war. Mein Kopf hatte diesen Entschluss gefasst, aber mein restliches Ich wollte ihm nicht folgen. Statt sich an unsere gemeinsame Vereinbarung zu halten, wählte mein Körper einen anderen Weg: Er beschloss, die Treppe hinunterzustürzen.
Lochan ist immer noch Lochan. Bis auf die Tatsache, dass sich alles verändert hat. Wenn ich ihn jetzt anschaue, ist er für mich ein ganz anderer geworden. Immer wieder muss ich an den Nachmittag bei mir auf dem Bett denken: wie sein Mund sich gierig auf meinen presste, wie seine Fingerspitzen über meine Haut strichen. Ich will die ganze Zeit mit ihm zusammen sein. Ich will ihm ständig von Zimmer zu Zimmer folgen, unter irgendeinem Vorwand in seiner Nähe sein, ihn anschauen, ihn berühren. Ich will ihn umarmen, ihn streicheln, ihn küssen, aber natürlich geht das nicht, weil die anderen immer da sind. Ich kann nicht,ich darf nicht. Ich liebe ihn so sehr, dass daraus ein ziehender Schmerz in meinem Körper geworden ist. Widersprüchliche Gefühle durchströmen mich: Ich habe so viel Adrenalin in mir und bin vor lauter Freude so überdreht, dass ich fast keinen Bissen runterkriege; und gleichzeitig schaudert es mich, weil ich jeden Moment darauf warte, dass Lochan gleich sagen wird, dass das alles falsch ist, dass wir das nicht tun dürfen. Oder dass jemand es herausfinden und uns auseinanderreißen wird. Aber ich will nicht auf das Ticken in meinem Kopf hören, als könnte dort jeden Augenblick eine Zeitbombe explodieren. Ich will nicht an die Zukunft denken, dieses klaffende schwarze Loch, wo keiner von uns beiden überleben kann, weder allein noch miteinander … Ich will nicht, dass meine Angst vor der Zukunft mir die Gegenwart ruiniert. Im Moment zählt nur eines: dass Lochan hier bei mir ist und dass wir uns lieben. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so glücklich gefühlt.
Lochan ist jetzt viel lebendiger. Die Erschöpfung ist aus seinem Gesicht gewichen, aber auch der angestrengte Ausdruck falscher, künstlicher Heiterkeit. Er muss lachen, wenn Tiffin Witze macht, er kitzelt Willa und schleudert sie immer wieder im Kreis herum, bis ich ihn bitten muss, damit aufzuhören. Er erträgt Kits Launen viel besser und lässt die üblichen provozierenden Bemerkungen einfach an sich abprallen. Er hat sogar aufgehört, an seiner Lippe zu nagen. Und jedes Mal, wenn unsere Augen sich begegnen, leuchtet in seinem Gesicht ein Lächeln auf.
Freitagmorgen, zwei Wochen nachdem wir uns in meinem Bett das letzte Mal in den Armen gehalten haben, trete ich zu ihm, als er allein an der Küchenspüle steht, mit dem Rücken zur Tür seinen Kaffee trinkt und aus dem Fenster schaut. Seine Haare sindvom Schlaf noch ganz zerzaust, die weißen Hemdsärmel hat er wie üblich bis zum Ellenbogen hochgerollt. Die Haut an seinen Armen wirkt so weich und glatt, dass ich sie am liebsten streicheln möchte. Ich kann nicht anders, ich fasse nach seiner freien Hand. Er dreht sich mit einem Lächeln zu mir um. Aber gleichzeitig nehme ich in seinen Augen ein Alarmzeichen wahr, vermischt mit etwas anderem: einer schmerzlichen Sehnsucht, einer quälenden Verzweiflung.
»Die anderen werden gleich herunterkommen«, sagt er leise warnend.
Ich schiele zur geschlossenen Küchentür, wünsche mir, ich könnte sie zusperren. Gleichzeitig streichle ich mit meinen Fingerspitzen seine weiche Handfläche. »Du fehlst mir so«, flüstere ich.
Er lächelt, aber seine Augen blicken traurig. »Wir – wir müssen auf den richtigen Augenblick warten, Maya.«
»Der richtige Augenblick ist nie«, antworte ich. »Immer sind da die Kleinen, oder es ist Schule, oder Kit bleibt die halbe Nacht auf. Wir sind nie allein.«
Er fängt wieder an, an seiner Lippe zu nagen, und starrt aus dem Fenster. Ich lehne meinen
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