Forellenquintett
von den Discs? Barenboim oder Horowitz. Nein, dann würden irgendwelche Leute glauben, er würde es auflegen, damit sie glauben sollen, er würde das spielen.
An der Tür klopfte es, ziemlich fest, das klang nach unangenehmen Leuten. Aber es gab auch unangenehme Leute, die hörte er gar nicht erst. Ding Dong, summte er vor sich hin, Mach nie die Tür auf... Dann tat er es doch, vor ihm stand die Kommissarin, sie hatten sie also noch immer nicht aus dem Verkehr gezogen. Wenigstens war die andere nicht dabei. Die Kommissarin sah über ihn hinweg ins Zimmer. Glaubte sie vielleicht, er hätte Stefanie auf der Bude?
»Darf ich hereinkommen?«
Er machte einen Schritt zur Seite. Also gut, dachte er, jetzt müssen wir wohl wieder Ansgar Kulitz sein, vielleicht auch reden... Und da unten lauern die beiden Alten, was werden sie nur denken, wenn sie mich hören!
Die Kommissarin nahm den Drehstuhl, der vor dem Schülerschreibtisch stand, und setzte sich. Er ging zum Bett und setzte sich darauf, den Blick zum Fenster gerichtet, wozu sollte er diese Frau auch noch anschauen?
»Sie scheinen den Jehles nichts gesagt zu haben?«
Er zuckte die Achseln.
»Jedenfalls reden sie so. Bastian ist oben. «
Er wartete.
»Geht mich auch nichts an«, fuhr die Kommissarin fort. »Mich interessiert nur eines. Wer war der deutsche Dealer, der Ihnen in Krakau das Ice besorgt hat?«
Lass sie reden, dachte er. Der Himmel hinter dem Fenster ist hell, ein Vormittag im Spätherbst, gerahmt.
»Wollen wir wieder schweigen? Wie Sie meinen.«
Die Kommissarin stand wieder auf und begann durch das Zimmer zu gehen.
»Überlegen Sie sich’s. Sie haben den Kopf von Milena Kwiatkowski in der Marienkirche von Kattowitz versteckt und sind dabei von zwei Frauen gesehen worden, die Sie eindeutig identifiziert haben, ebenso wie der Friseur das getan hat, bei dem Sie sich haben rasieren und die Haare schneiden lassen. Wenn ich will, fahren Sie noch heute Nachmittag wegen Beihilfe zum Mord in den Bau und haben überhaupt keine Chance mehr, vor fünf oder sechs Jahren da wieder herauszukommen...«
Nichts erwarten, nichts befürchten. Zuhören.
Noch immer ging die Kommissarin durch das Zimmer. Auf und ab. Ab und auf. Ihr ward vom Vorübergehen der Stäbe... Ach Unsinn. Niemanden dämonisieren. Keine Pantherin. Einfach eine Nervensäge.
Plötzlich blieb sie vor ihm stehen, holte Papiere aus ihrer Jacketttasche, schlechte Kopien von schlechten Zeichnungen auf schlechtem Papier, und hielt sie ihm vors Gesicht. »Das sind Phantombilder, von der Polizei in Kattowitz gefertigt. Dieses hier ist nach den Angaben der beiden Frauen entstanden, die Sie in der Marienkirche gesehen haben.« Sie zeigte ihm das Bild eines dämlichen Langhaarigen, der dreinblickte, als habe er gerade heimlich in den Abendmahlskelch uriniert. »Und das da ist der gleiche Mensch, vor und nach dem Besuch eines Friseursalons …«
»Nett«, bemerkte er. »Der Friseur wird es sich nicht ins Schaufenster hängen.«
»Jedenfalls sind es Sie.«
Die Kommissarin hatte die Phantombilder wieder an sich genommen und tigerte weiter durchs Zimmer. Wer war hier eigentlich nervös? Als hätte sie seinen Gedanken erahnt, blieb sie abrupt vor der HiFi-Anlage stehen. Erst jetzt sah er, dass einige Kassetten, die er sich angehört hatte, nicht wieder einsortiert, sondern quer im Regal abgelegt waren. Er selbst hatte sie so liegen lassen.
Es rächt sich jeder Fehler.
»Und was ist das für eine Schrift?«
Wenn ihr die Schrift auffiel, hatte sie die Kassette mit dem Forellenquintett erwischt. Na, nun find mal was heraus, dachte er und sah ihr zu, die Arme verschränkt. Die Kommissarin hatte begonnen, die Aufschriften der Kassetten miteinander zu vergleichen, dann schob sie die Aufnahme mit dem Schubert-Verschnitt in den Recorder und startete ihn. Wieder erklang diese abgenudelte Salonmusik, aber sie schien ihr nicht zu gefallen, nach wenigen Takten verzog sie das Gesicht und stoppte die Aufnahme wieder.
»Ist so was Ihr Geschmack?«, fragte sie ihn.
Aber er gab keine Antwort. Sollte sie denken, was sie wollte.
Sie griff sich eine der anderen Kassetten und tauschte sie gegen den Schubert. Es erklangen die ersten Takte von Chopin, op. 31, von Schülerhand gespielt, brav und qualvoll.
»Wenigstens nicht verkitscht«, sagte die Kommissarin, »aber warum...?« Wieder drückte sie auf die Stopptaste. Sie zögerte kurz, dann blickte sie zu ihm hinüber. »Können Sie mir etwas über die Pianisten sagen, die
Weitere Kostenlose Bücher