Forellenquintett
Fahrzeugschlüssel gekommen?«
Schweigen.
»Hat Dr. Schatte sie Ihnen gegeben? Oder doch Ihr Vater?«
Schweigen.
»Sie waren Ende September zusammen mit Kevin Orschach in Krakau. Wann sind Sie aus Polen zurückgekommen?«
Schweigen.
»Na gut«, sagte Walliser. »Ich habe hier die Aussagen von Ansgar Kulitz, Berufsmusiker … Ich les Ihnen grad mal ein paar Passagen vor:
»Den Mann, dem ich gegenübergestellt worden bin und bei dem es sich nach Angaben der Polizei um den Studenten Wolfgang Rüdiger von Oerlinghoff handelt, habe ich zum ersten Mal am 22. oder 23. September in einem Café in Krakau im Stadtteil Kazimierz getroffen. Ich hatte mich beim Barkeeper nach einer Bezugsquelle für Methamphetamin erkundigt, am Tag danach sprach Oerlinghoff mich am Tresen an. Er nannte sich ›Wolf‹. Ich war überrascht, weil ich nicht mit einem deutschen Dealer gerechnet hatte und weil mir Oerlinghoff drei Kilogramm Methamphetamin anbot, zu einem - wie er sagte - Einstiegspreis von 5000 Euro. Ich lehnte ab, da ich über keine 5000 Euro verfügte und weil ich ihm nicht traute …«
Walliser sah auf. »Haben Sie dazu etwas zu sagen?«
Schweigen.
»So kommen wir nicht weiter«, sagte der Mann, der im Hintergrund rittlings auf einem Stuhl gesessen hatte, die Arme über der Lehne gekreuzt. »Lassen Sie mich mal mit ihm unter vier Augen reden, Walliser.«
Der Hauptkommissar hielt einen Augenblick inne, dann stand er wortlos auf und verließ das Büro. Der Mann, der ihn hinausgeschickt hatte und jetzt hinter Wallisers Schreibtisch Platz nahm, war fast ein Meter neunzig groß und bullig und trug eine Bürstenhaarfrisur. Er hieß Steinbronner, war Leitender Kriminaldirektor im baden-württembergischen Innenministerium und am späten Vormittag mit dem Hubschrauber in Friedrichshafen eingeflogen worden.
»Ich werde Sie nicht weiter mit der Aussage von diesem Menschen Kulitz behelligen«, sagte er. »Angeblich haben Sie ihm am 25. September siebenhundert Gramm von diesem Zeugs gebracht, angeblich haben Sie dabei Gelegenheit gehabt zu sehen, dass er seinen Renault - oder den seiner Freundin - im Innenhof der Pension abgestellt hatte … Das interessiert mich alles nicht, und schon gar nicht die Vermutung dieses Kulitz, Sie hätten in der Nacht zum 26. September den Kopf der toten Kwiatkowski in einer Sporttasche versteckt, die sich bereits im Kofferraum befunden habe … Alles unwichtig, denn es ist eine Vermutung. Wichtig ist, für Sie und für mich, ob es einen Beweis gibt, der Sie mit dem Mord in Verbindung bringt.«
»Warum soll das für Sie wichtig sein?« Zum ersten Mal hatte v. Oerlinghoff jun. sein Schweigen gebrochen.
»Ich will Ihnen nichts vormachen. Ich bin kein direkter Freund Ihres Vaters gewesen. Aber ich bin Polizist wie auch er einer war, und deshalb muss mir seine Reputation wichtig sein. Wenn gegen Sie Anklage erhoben wird, kommt auch der Fall Orschach in die Schlagzeilen, und niemand wird mehr den Freitod Ihres Vaters respektieren.«
»Freitod!«, wiederholte Oerlinghoff jun. »Woher wollen Sie wissen, dass er nicht von diesen Leuten aufgeknüpft worden ist?«
»Dagegen hätte er sich ja wohl gewehrt«, antwortete Steinbronner. »Man hätte ihn vermutlich fesseln müssen. Aber es gibt keinerlei Verletzungen oder Hämatome, die darauf hindeuten.«
»Das vertuschen Sie doch nur!«
»Hören Sie zu«, sagte Steinbronner. »Wenn ich will, steht übermorgen die Mordanklage gegen Sie. Wenn Sie dagegen vernünftig sind und kooperieren, dann werden wir zum Ergebnis kommen, dass Orschach allein diese polnische Hure umgebracht hat, und wir können den Selbstmord Ihres Vaters als Folge einer stressbedingten psychischen Krise verkaufen. Die Wahl liegt bei Ihnen.«
»Was heißt das: wenn ich kooperiere?«
»Seien Sie doch nicht so naiv«, antwortete Steinbronner. »Sie sind Sekretär von Dr. Schatte. Gegen diesen Mann liegt im Augenblick nichts vor, auch wenn wir sehr gut wissen, dass er uns nicht mag und diesen Staat auch nicht. Muss er auch nicht. Wir wollen nur sichergehen, dass es dabei bleibt: beim Nicht-Mögen. Und dass er nichts anrichtet, was uns dann doch zwingen würde, ihm richtig Ärger zu machen. Deswegen...«
»Deswegen soll ich Ihnen den Spitzel machen?«
»Und?«, fragte Steinbronner zurück. »Sie waren noch nie im Knast. Sie wissen nichts, absolut nichts über die Welt, in die Sie dort geraten werden. Glauben Sie mir: Alles, buchstäblich alles, ist besser als Knast lebenslang,
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