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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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das?«
    »Sie war dort«, antwortete Tamar. »Unter anderen Kassetten, die ebenfalls bespielt waren.«
    Windisch schwieg und hörte noch ein paar Takten der Musik zu. Dann drückte er die Stopptaste.
    »Und Sie glauben, dass Bastian das gespielt hat?«
    »Nein«, sagte Tamar, »das glaube ich nicht.«
    »Da tun Sie Recht daran. Der Pianist bin ich. Ohne jeden Zweifel. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass ich Bastian jemals erlaubt hätte, eine solche Aufnahme zu machen. Wie also...?«
    »Genau das fragen wir uns auch«, antwortete Tamar.
    Windisch blickte von ihr zu Marlen, die etwas abseits stand, und wieder zurück. »Wie dem auch sei«, sagte er, »Sie haben mir die Kassette zurückgebracht, und dafür danke ich Ihnen.«
    Tamar setzte ein so bedauerndes wie hinterhältiges Lächeln auf. »Leider müssen wir die Kassette vorerst behalten. Sie ist ein Beweisstück.«
     
    N icht schon wieder«, sagte Alma Frogesser und wich von der Türe zurück. Über den Flur hüpfte das Mädchen Undine.
    »Ist Audrey in ihrem Zimmer?«, fragte Tamar und ging an ihr vorbei. Marlen folgte.
    »Habt ihr den Mann nicht dabei?«, fragte Undine.
    »Nein«, sagte Marlen und blieb vor Alma Frogesser stehen. »Der Mann ist nach Hause gefahren. Soll ich dafür das Spiel mit deiner Oma machen?«
    »Der Mann war lustiger«, meinte Undine.
    »Dann eben nicht«, sagte Marlen und folgte Tamar in das Zimmer mit der Fensterfront zum Garten, von dem man so wenig sah wie von der Sonne, die draußen schien, denn die Jalousie war heruntergelassen.
    »Habt ihr etwas herausgefunden?«, fragte Audrey, die sich offenbar hingelegt hatte und jetzt hastig aufgestanden war. Auf einem Sideboard standen ein Glas Wasser und eine Schachtel Tabletten, Marlen sah sie sich an und schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht«, antwortete Tamar. »Haben Sie einen Kassettenrecorder? Ich muss Ihnen etwas vorspielen...«
    »Nein!« Es klang fast wie ein Aufschrei. »Ich will das nicht, und ich hab nichts, um das abzuspielen …«
    Tamar zuckte mit den Schultern.
    »Natürlich habt ihr eine Musikanlage«, sagte Marlen ruhig. »Zeig sie ihr und hör dir die Kassette an.«
    »Warum?«
    »Weil es - verdammt noch mal! - deine Idee war, Tamar um Hilfe zu bitten. Jetzt tu bitte auch, was sie sagt.«
    Audrey warf einen Blick auf Tamar, und ihr mageres blasses Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Dann schüttelte sie den Kopf und ging schweigend voraus durch den Flur in ein großes Wohnzimmer mit See- und Alpensicht. Der Fensterfront gegenüber war eine Regalwand mit Flachbildschirm und Musikanlage aufgebaut. Als Marlen und Tamar gefolgt waren, zog Audrey die Tür zu. »Wenn es sein muss, dann lasst diesen Dreck halt ablaufen. Aber meine Mutter und die Kinder dürfen nichts mitbekommen, habt ihr gehört?«
    Fragend blickte Tamar zu Marlen, aber die hob nur kurz die Augenbrauen, als sei auch sie überfragt. Dann legte sie die Kassette ein und startete sie.
    »Nicht so laut«, sagte Audrey.
    Wieder erklang das Rauschen des abgespielten Magnetbandes, dann kamen die Klavierakkorde, Tamar beobachtete Audrey, die mit schräg gelegtem Kopf zuhörte, dann aber zu Tamars Verwunderung selbst an den Recorder herantrat und den Ton lauter stellte.
    »Geht das so weiter«, fragte sie, »bis zum Schluss?«
    »Ja«, sagte Marlen, »da spielt einer Klavier, und irgendwann ist das Band zu Ende. Sonst, meine liebe Audrey, ist da nichts drauf. Absolut nichts. «
    Audrey sah Marlen an, und Tamar hatte plötzlich das Gefühl, die beiden seien plötzlich wieder Schülerinnen und sie die dumme Lehrerin, die nichts von dem mitbekommen sollte, was wirklich Sache war.
    »Haben Sie dieses Band schon einmal gehört?«, fragte Tamar, aber die Frage ging im Klingeln eines Mobiltelefons unter.
    »Scheiße«, sagte Marlen, holte das Handy aus ihrem Blouson und meldete sich. Eine Weile hörte sie zu, dann ließ sie das Gerät und wandte sich an Tamar: »Das ist die Elke und will ihr Handy zurück und fragt, wo sie uns treffen kann.«
    »In der Zehntscheuer«, sagte Tamar. »Bei diesem Konzert.«
    Mit einem Stirnrunzeln richtete es Marlen aus und beendete das Gespräch. »Sie meint«, teilte sie mit, »wir hätten sie nicht mehr alle …«
    »Audrey hat meine Frage noch nicht beantwortet«, beharrte Tamar.
    »Sie wollen wissen, ob ich diese Musik schon mal gehört habe? Hab ich.«
    Wieder hatte sich Audreys Gesicht verändert. Es war rot geworden, und um den Mund zog sich ein Anflug von Koketterie, das heißt, nicht

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