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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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gedacht, auch nicht, dass er da ein eigenes Fach für seine Arbeitshandschuhe gehabt hat und ich weiß nicht was, aber er, er hat hinten in dem Fach gesammelt, was er an Schnüren gefunden hat, und niemand hat’s gesehen, weil seine Arbeitshandschuhe davor waren, und dann hat er sich alles zusammengedreht, bis er ein richtiges Seil hatte, und wie er gesehen hat, dass oben im Gewächshaus so ein Stahlträger durchläuft, am First, weißt du, da hat er sich dran aufgehängt... Das war eine Geschichte damals, sag ich dir, ich hab denen gleich gesagt, dass ich da nicht arbeiten gehen kann, weil, das hat mich traumatisiert, und wenn einer das sagt, merk dir das, dann können die gar nichts machen.«
    Die Tür öffnete sich, der Pfleger warf einen Blick in das Zimmer, der Blick verweilte kurz auf dem Neuzugang Andreas und richtete sich dann auf den Dicken.
    »Herr Hühnlein, Sie haben doch Musiktherapie«, sagte der Pfleger, »die anderen warten schon auf Sie!«
    »Und der da«, protestierte der Dicke und wies auf den Neuzugang, »was ist mit dem?«
    »Der geht schon nicht an Ihre Sachen«, antwortete der Pfleger, »das haben Sie ihm doch schon gesagt, dass er das nicht darf.«
    »Wenn der nicht mitgeht, geh ich auch nicht.«
    Der Pfleger überlegte. »Den kann ich da nicht so einfach mitbringen, ich hab da keine Anweisung, das wissen Sie doch, Herr Hühnlein, ohne Anweisung...«
    »Der hängt doch die ganze Zeit bloß rum«, wandte Hühnlein ein, »wird von einem Wartezimmer ins andere verschoben, kommen Sie bitte mit, warten Sie hier, warten Sie dort! Ich weiß doch, wie das geht.«
    »Andreas ist erst seit gestern da«, verteidigte sich der Pfleger. Zu spät fiel ihm ein, dass ein Pfleger sich niemals auf Argumente einlassen darf.
    »Und doch macht ihr es so, mit voller Absicht, damit die Leute erst richtig meschugge werden«, trumpfte Hühnlein auf. »Sonst müsstet ihr stempeln gehen, Hartz IV ist ja nicht so lustig, das muss man verstehen...« Nachsichtig betrachtete er den Pfleger. Dann deutete er auf den Neuzugang. »Jedenfalls geh ich nicht mit, wenn der nicht auch geht.«
    »Na ja«, sagte der Pfleger und betrachtete den Neuzugang. »Wenn er will, kann er ja einfach mal mitkommen und sich’s anhören. Wer weiß, vielleicht gefällt es ihm sogar.«
     
     
     
    J achimczak zog die Vorhänge auf, und durch die Atelierfenster fiel das Licht des späten Nachmittags auf graues Linoleum und einen Arbeitstisch. Pinsel, Farbtöpfe, Terpentin. Auffällig kleine Pinsel. Keine Staffelei. Die Luft stickig, mit einem Geruch darin, den nicht einmal das stechende Aroma von Farbe und Lösungsmitteln verdecken konnte.
    Tamar trat zu dem Arbeitstisch. Eine halbfertige Miniatur, Öl auf Holz, war in einem Rahmen eingespannt. Vier auf sechs Zentimeter vielleicht, gewiss nicht größer, ein Bild fast für eine Puppenstube, dachte sie, nur, dass das Bild selbst eine Puppenstube zu zeigen schien. Neben der Arbeitslampe war an einer zweiten Halterung eine Lupe angebracht. Tamar zog den Hocker vor, der unter den Tisch geschoben war, setzte sich und klappte die Lupe auf. Das Bild wurde plastisch und tief und zeigte in akademischer Perspektive ein bürgerliches oder besser: kleinbürgerliches Wohnzimmer aus der Zeit um 1980, gestreifte Tapeten mit Sonnenblumen, das Fernsehgerät im Einbauschrank, ein Esstisch mit dem Abendbrotgedeck für drei Personen, ein kleines Mädchen, das am Tisch sitzt und zu seiner Mutter schaut, einer dunkelhaarigen Frau mit schulterlangen Locken, die Mutter steht an einer Tür, vermutlich der zur Küche, und sie scheint zu horchen, doch man sieht nur den Rücken von ihr.
    »Die Zeit ist eingefroren«, sagte Jachimczak, der neben Tamar getreten war.
    Tamar sah zu ihm auf. »Wo ist es passiert?«
    Jachimczak wies mit dem Kopf zu einer Tür hinten im Atelier. Tamar stand auf und folgte ihm. Der Geruch, der ihr sofort aufgefallen war, wurde stärker. Jachimczak stieß die Tür auf, sie führte in ein Badezimmer mit einem Oberlicht. Das Badezimmer war grün gekachelt, aber die Kacheln und auch das Email der Badewanne waren überzogen und verschmiert von schwärzlich geronnenem Blut, zwischen denen sich Abdrücke von Stiefeln und eines einzelnen nackten Fußes abzeichneten. Die Abdrücke der Stiefel waren auffällig und groß. Über den Boden waren Trittbretter gelegt, so dass die Polizeifotografen ihre Arbeit hatten tun können, ohne Spuren zu verwischen.
    Tamar zögerte kurz, dann ging sie vorsichtig über eines

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