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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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grüßte einige von ihnen, schließlich passierten sie eine Stahltür.
    Es roch nach Tod, wie überall in jenen gekühlten Räumen, in denen es nicht nach Verwesung riechen soll. Ein hochgewachsener Mann in einem grünen Kittel zog wortlos eines der Fächer aus einer Kühlwand heraus und schlug das Tuch auf, das über den bleichen Körper einer jüngeren Frau gebreitet war. Der Körper war mager, und die Hüftknochen zeichneten sich deutlich ab, das Schamhaar war zu einem schmalen Streifen rasiert.
    Tamar beugte sich über den Körper und betrachtete die Verfärbungen an den Handgelenken der Toten, dann zwang sie sich, den Hals anzusehen. Oder was davon übrig war.
    »Todeszeit?«
    »Am Montag. Irgendwann zwischen 19 und 22 Uhr.«
    Vor vier Tagen also. Wann war Hannah nach London geflogen? Irgendwann davor. Sie würde es nachprüfen müssen. Unsinn. Das hatten, ganz sicher, die Polen schon getan. Schließlich sah sie zu Jachimczak hoch. »Den Kopf haben Sie nicht gefunden?«
    »Doch.« Er nickte dem Mann im grünen Kittel zu. Der wandte sich ab und zog ein weiteres Fach auf. Tamar folgte ihm. In dem Fach lag eine graue Plastikschale und darin, auf der Seite und in einem Kranz schwarzer Haare, ein abgetrennter Frauenkopf, die Augenhöhlen eingefallen und der Mund geöffnet, so dass man die gelblichen, verfärbten Zähne darin sehen konnte.
    »Sie haben es mit einem Messer gemacht«, erklärte Jachimczak, der neben sie getreten war.
    »Mit einem Messer?«, fragte Tamar zurück.
    »Schön ist das nicht, aber es geht.« Jachimczak hob die Augenbrauen. »Haben Sie noch nie eines dieser Videos aus dem Irak gesehen?«
    »Und wo haben Sie den Kopf gefunden?«
    »Nicht wir, es war ein... wie sagen Sie?... ein Kirchendiener, in einer Kirche in Katowice.« Er machte eine ungefähre Handbewegung zu der Plastikschale und dem, was darin lag. »Das da war in einem Beichtstuhl versteckt. Die Kirchenleute fanden es nicht sehr lustig.«
    »Das kann ich verstehen«, meinte Tamar.
    »Ich weiß nicht«, kam die Antwort. »Einer der Pfarrer soll ein Problem mit dem Zölibat haben.« Er verzog das Gesicht. »Und es war sein Beichtstuhl, in dem das hier gefunden wurde...«
     
     
     
    E r sah sich um. Ein Fenster, ein Tisch, zwei Stühle, an den Wänden links und rechts je ein Bett mit weiß lackiertem Metallgestell und Bettwäsche, so bunt, als hülfe das gegen Depressionen, ein Schrank, die Wände hellgrün gestrichen.
    »Schnarchst du?« Der dicke Mann musterte ihn. »So Dünne schnarchen gern, das glaubt man gar nicht.«
    Der Dicke trug einen blauen Trainingsanzug, und sein Bauch hing ihm über den Hosenbund.
    »Ich hab dich was gefragt. Ob du schnarchst.«
    Der Dicke schlappte zu dem kleinen Wandregal, das am Fußende seines Bettes aufgehängt und mit Blechschachteln und Dosen vollgestellt war.
    »Aber egal. Ich hab meine Ohrenstöpsel. Ohne die bist du hier aufgeschmissen.«
    Er machte sich an einer der Dosen zu schaffen, man sah nicht, was darin war, denn sein Rücken verdeckte den Blick.
    »Damit du das gleich weißt«, sagte er, ohne sich umzudrehen, »das hier sind alles meine Sachen, ich weiß sofort, wenn was fehlt, da brauchst du dir gar nichts einzubilden.«
    Das Fenster hatte Sicherheitsglas und ging nach Norden oder Osten. Trotzdem konnte man sehen, dass irgendwo da draußen noch die Sonne schien.
    »Hast du das verstanden? Wenn du da drangehst, gibt’s eins auf die Finger«, fuhr der Dicke fort und drehte sich wieder um. Der Neuzugang hatte sich auf das Bett gesetzt und sah noch immer zum Fenster.
    »Reden tust du ja wirklich nicht viel«, meinte der Dicke, »aber das soll mir recht sein. Vor dir war einer da, wenn es über den kam, dann hat er nicht mehr aufgehört, nicht einmal nachts hat er Ruhe geben können, und auch die Tabletten haben nichts genützt, denn er hat sie nur in den Mund gesteckt und danach in den Abfluss gespuckt, und dann ist er gekommen und hat geredet und geredet, aber ich, weißt du, ich hab auch meine kleinen Tricks, ich hab mir Ohrenstöpsel gemacht, und da saß der nun in Nacht und Dunkelheit am Tisch und hat geredet, aber ich weiß nicht was, weil, ich hatte ja die Ohrenstöpsel drin.«
    Er ging zurück an den Tisch und zog sich die Hose ein Stück weit über den Bauch, ehe er sich wieder setzte.
    »Dabei war der gar nicht dumm, der hat es sogar faustdick hinter den Ohren gehabt, nur hat man es nicht gemerkt vor lauter Reden. Er hat in der Gärtnerei gearbeitet, niemand hat sich was dabei

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