Forellenquintett
funkt es nicht, so einfach und traurig ist das... Meine Konzertagentin hat dann gemeint, ob ich es nicht mit Ansgar Kulitz versuchen wolle, das sei einer, der keine Starallüren habe, und da habe ich gesagt, versuchen wir es einmal, obwohl ich auf den ersten Blick gesehen habe, dass nicht viel mit ihm los ist, aber er schien ganz nett zu sein und nicht ganz dumm...«
Ansgar Kulitz, dachte Tamar und legte ihre Hände um die heiße Tasse. Nett. Immerhin hatte sie jetzt einen Namen. Auf der Website war der Pianist nicht einmal eine Erwähnung in der Bildunterzeile wert gewesen. »Hat es denn gefunkt?«
»Am Anfang habe ich es mir eingebildet.« Tabea trank einen Schluck Kaffee, sehr vorsichtig, mit abgespreiztem kleinem Finger, es sah aus wie eine Parodie auf eine Kaffee trinkende, etwas zu füllige Dame, und setzte die Tasse behutsam wieder ab. »Natürlich hatte er kein Diplom, keinen Abschluss, nichts. Sonst hätte ich ihn auch nicht bezahlen können. Trotzdem... immer bildet man sich am Anfang zu viel ein. Eigentlich hat er auch noch hier einziehen wollen, aber das habe ich dann doch abgeblockt, auch wenn seine Dachkammer draußen in Bornheim so gut wie unbeheizbar ist.«
Sie betrachtete den Kaffeelöffel und nahm ihn auf und legte ihn angewidert zur Seite, als verkörpere er alle Zumutungen, denen eine alleinstehende Künstlerin ausgesetzt sein kann. »Das hat ihn dann doch sehr getroffen«, fuhr sie fort, »denn er ist es gewohnt, dass er den anderen Leuten leidtut. Zum Beispiel hat er gern behauptet, er sei im Waisenhaus aufgewachsen und hätte den ersten Unterricht bei einem schwulen Musiklehrer gehabt, manchmal hat er Details dazu erzählt, nach denen Sie mich bitte nicht fragen... In Wahrheit ist er aus Offenbach, und seine Eltern haben ihn rausgeschmissen, weil er sie beklaut hat, um sich Dope zu kaufen, er hat es mir selbst einmal erzählt.« Sie warf einen kurzen prüfenden Blick auf Tamar. »Das war überhaupt das Hauptproblem. Das Dope und das Geld. Noch mehr als der Sex.«
»Was war damit?«
»Der war auch nicht gut.«
Eine ganz normale Beziehung also, ging es Tamar durch den Kopf. »Aber nach Krakau haben Sie ihn noch einmal mitgenommen?«
»Sicher doch. Sonst hätte ich das Programm dort erst mit irgendeinem Unbekannten einstudieren müssen, so etwas dauert.«
»Und danach haben Sie sich dann getrennt?«
»Wenn Sie es so ausdrücken wollen«, antwortete Tabea bedächtig. »Wir waren schon auf der Rückfahrt, da hab ich ihn rausgeschmissen. Er sollte fahren, aber irgendwo zwischen diesen furchtbaren grauen polnischen Städten hat er sich verfranst, und ich bekam einen Wutanfall und hab ihm gesagt, dass er zu wirklich allem zu blöd ist... Es war ja kein so rauschender Erfolg gewesen in Krakau, müssen Sie wissen, das Publikum hat etwas ganz anderes erwartet. Und wenn Sie selbst angeschlagen und verunsichert sind, dann merken Sie es doppelt, dass der Partner nicht viel drauf hat und nichts auffangen kann... Also, das kam alles zusammen, und schließlich habe ich darauf bestanden, dass wir halten und die Plätze tauschen, es ist ja mein Auto, und ich hätte es nicht ertragen, dass er auch nur noch hundert Meter fährt. Aber wie ich in das Handschuhfach greife, um meine Brille zu holen, zum Fahren brauche ich nämlich eine Brille, so eine alte Kuh bin ich, sehe ich da eine Plastiktüte, so richtig dumm und unsensibel hineingequetscht, und er will sie rasch wegnehmen. Was ist das schon wieder?, frage ich, und er stottert irgendetwas, ich steige aus und gehe um den Wagen herum und mache die Beifahrertür auf und sage: Raus! Und das war es schon.«
»Hat er nicht protestiert?«, fragte Tamar. »Oder versucht, Sie umzustimmen?«
Tabea richtete sich auf. »Manchmal kann ich sehr zornig werden. Und ich war sehr zornig.«
»Und was war mit seinem Gepäck?«
»Das hat er dann ausgeladen«, antwortete Tabea. »Unter meiner Aufsicht. Dabei wäre ich fast ein zweites Mal ausgerastet... Er hatte eine Sporttasche dabei, so ein hässliches Ding mit einem Aufdruck von den Offenbacher Kickers, das war auch wieder so eine Angabe von ihm, und plötzlich will er mit mir streiten, ich hätte ihm da was in die Tasche gesteckt... Ich weiß nicht, was für ein faules Ei er mir da hat unterschieben wollen, jedenfalls hab ich die Tasche gepackt und rausgeworfen und bin weggefahren, und in meinem ganzen Brass hab ich den Wagen nicht weiter durchsucht, was ich natürlich unbedingt hätte tun müssen, ich kenne ihn
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