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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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winzige Straßenbahn in preußisch Blau fährt über schwindelnde Abgründe und durch tiefe Häuserschluchten, und überall sind Augen, nur Augen, wirklich bedrohlich, finden Sie nicht?«
    Elisabeth Jehle war neben Martin getreten und zupfte ihn am Ärmel seines Jacketts. Ihre Augen waren auf den jungen Mann an dem Wandschrank gerichtet, Martin Jehle folgte ihrem Blick, so jung auch wieder nicht, dachte er dann, Ende zwanzig, Anfang dreißig. Er hatte jetzt wohl alle Malkästen eingeräumt und schloss die Tür ab und kam zu ihnen her, er hatte kurzes blondes Haar, oberhalb der Schläfe die fast zugeheilte Narbe einer Schnitt- oder Platzwunde, die man hatte nähen müssen.
    Martin Jehle hörte - oder glaubte zu hören -, wie seine Frau flacher atmete, er blickte zu ihr und spürte, wie sie sich mit ihrer Hand an seinem Arm festhielt.
    Der junge Mann, der Jeans trug und darüber einen grauen Pullover, ging an ihnen vorbei, und seine Augen glitten wie Wasser über sie hinweg, er ging weiter zu dem Mann im Malerkittel und hielt ihm die Schlüssel für den Wandschrank hin. Der redete noch immer, dann machte ihn die Oberärztin darauf aufmerksam, dass jemand neben ihm wartete. Redend nahm er den Schlüssel und steckte ihn in seinen Kittel, der junge Mann drehte sich um und wollte gehen.
    »Einen Augenblick«, sagte Dr. Capotta und hielt ihn am Ärmel fest. Gehorsam blieb er stehen.
    »Ich wollte Ihnen noch...«, sagte der Mann mit der Hornbrille, »... nur diese Arbeit hier.« Er deutete auf ein Bild mit schwarzen Wolken vor einem schwarzen Hintergrund.
    »Sehr schön, doch«, meinte die Oberärztin und führte den jungen Mann zu dem Ehepaar, das noch immer verloren im Saal stand. Elisabeth Jehle hatte den Arm ihres Mannes losgelassen und versuchte ein Lächeln, Martin Jehle sah es aus den Augenwinkeln, so hatte er sie noch nie lächeln sehen, es schien ihm geradezu kokett, aber kokett war nicht der richtige Ausdruck, werbend und vorsichtig und zärtlich in einem.
    »Das sind Martin und Elisabeth Jehle«, sagte Dr. Capotta aufmunternd, sah dabei aber vor allem das Ehepaar an, »sie kommen aus Aeschenhorn, einer sehr hübschen kleinen Stadt am Bodensee, und wir haben überlegt, ob Sie nicht einmal dort Ferien machen könnten.«
    Der junge Mann sah teilnahmslos vor sich hin, es war nicht klar, ob er überhaupt gehört hatte, dass zu ihm gesprochen wurde.
    Martin Jehle blickte ratlos auf die Ärztin, was redete sie da und wozu? Schließlich begriff er, dass sie ihm zeigen wollte, wie er mit Andreas sprechen sollte, kein Kauderwelsch und nicht schreiend oder so, wie es üblich war, mit Türken zu reden.
    »Wissen Sie«, warf der Mann im Malerkittel ein, »er versteht zwar überhaupt nichts, tut aber alles, was man ihm zeigt, er ist wirklich sehr...«
    »Könnten wir nicht einfach in den Garten gehen?«, unterbrach ihn Elisabeth, und sie zeigte zu den Fenstern und was dahinter war. Der junge Mann sah sie an und schien vielleicht nicht die Worte, aber die einladende Bewegung zu verstehen, jedenfalls sah er sich um, als warte er darauf, dass man sich auf den Weg mache.
    »Das ist eine gute Idee«, sagte die Oberärztin und schritt zur Tür voraus, um den Weg nach draußen zu zeigen. Das Ehepaar und der junge Mann folgten. Sie gingen um eine Ecke bis zu einer Glastür mit weiß gestrichenen Fenstersprossen, die Dr. Capotta aufschloss.
    »Sie haben ein Handy? Rufen Sie mich an, wenn es ein Problem gibt oder wenn Sie zurück wollen.«
    Eine kurze Weile blieb sie an der Tür stehen. Dann ging sie in ihr Büro zurück, mit einem Gesichtsausdruck, der schwer zu deuten war.
     
     
     
    N atürlich brauche ich eine Begleitung«, sagte Tabea und trug das Tablett mit den zwei Tassen Pulverkaffee an den Tisch. Tamar half, Platz zu schaffen, und räumte ein Milchkännchen aus angeschlagenem Meißener Porzellan und eine blecherne Zuckerdose zur Seite, so dass das Tablett auf der Zeitung abgestellt werden konnte, die in Tabeas Haushalt die Tischdecke ersetzte.
    »Im Idealfall wäre es jemand«, fuhr Tabea fort, »der das Klavier selbst zum Singen bringt, der es sprechen und fragen und staunen lassen kann, der eine sinnliche, unausgesprochene, knisternde Spannung aufbauen und aushalten kann... In Wahrheit bin ich fast immer nur an Selbstdarsteller geraten, an Leute, die zu laut spielen, weil sie nur sich hören, oder an Notenklempner und Tastendrücker. Irgendwann vor zwei Jahren habe ich einen rausgeschmissen, einfach so, wenn es nicht funkt,

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