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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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ihm geht?«
    »Gesprochen habe ich mit einem Mann um die dreißig«, antwortete Tamar, »das heißt, ein Gespräch kann man es nicht nennen. Wir standen uns gegenüber, ich habe geredet, und er hat gewartet, dass ich damit aufhöre. Ich denke, er hat genau verstanden, dass ich Polizistin bin, und Polizisten kann er nicht leiden.«
    Sie blieb stehen und betrachtete die Kirche von St. Jodok, die jetzt vor ihnen lag und deren schlanker Turm mit dem kupfernen Zwiebeldach über den Wellen emporragte, als sei er ihnen entstiegen.
    »Wenn Sie zum Wagen zurück wollen, sollten wir links gehen«, sagte Marlen und wies auf eine Gasse, die vorbei am Hotel Seehof führte.
    Tamar schüttelte den Kopf. »Ich hätte gerne, dass Sie mir dieses Aeschenhorn zeigen. Am besten so, wie Sie es als junges Mädchen erlebt haben.«
    Marlen Ruoff setzte ein kurzes Lächeln auf und gleich wieder ab. Es sah abweisend aus. »Seither hat sich einiges geändert. Das junge Mädchen von damals ist, glaube ich, sehr weit weg.«
    »Dann führen Sie mich durch den Ort, als ob ich eine Touristin wäre. Zum Beispiel habe ich mir schon lange keine Kirche mehr angesehen.«
     
     
     
    E r hatte die Schuhe ausgezogen und sich auf das Bett gelegt und starrte zur Decke. Sie hatte kein Ornament, sondern gab glatt und weiß und ungerührt seinen Blick zurück. Er hatte gehofft, das würde ihm dabei helfen, seine Gedanken zu ordnen. Aber die Gedanken wollten nicht. Schuld war diese Polizistin. Sie hatte ihm nicht gutgetan (das darf man doch auch einmal denken, dachte er, ohne dass man es sich gleich als Wehleidigkeit auslegen muss).
    Erstens war sie eine arrogante Schnepfe. Zweitens glaubte sie ihm nicht. Sie glaubte nicht, dass er nicht verstand, was man ihm sagte. In diesem Punkt war er sich ganz sicher. Vermutlich glaubte sie auch nicht, dass er dieser Bastian Jehle war. Wie hatte sie es ausgedrückt?
    »... und würden gerne etwas mehr wissen über die Umstände, unter denen Sie vor siebzehn Jahren Aeschenhorn verlassen haben...«
    Fragt man nicht so, wenn man eine Falle stellen will? Es war also etwas faul an den Umständen, unter denen dieser Bastian Jehle verschwunden war. Der war damals ein Kind gewesen, dreizehn oder vierzehn Jahre alt oder vielleicht doch eher zwölf, nach der Kinderschrift auf den Schulheften zu schließen. Was, bitte, sollte der angestellt haben?
    Tu nicht so. Über das, was Kinder so mit anderen Kindern alles anstellen können, wollen wir uns lieber keinen Illusionen hingeben.
    Er beschloss, einen Augenblick lang gar nichts zu denken, und sich dann auf seine Eingebung zu verlassen (oder auf das, was der Große Spieler ihm eingeben würde). Aber die Decke war noch immer weiß und leer und hatte nichts zu sagen, und in seine Gedanken mischten sich Erinnerungen, die ihm nicht angenehm waren. Er wischte sie weg und geriet wieder in die Gegenwart, in eine Gegenwart, von der er nichts wusste und nichts verstand. Und? Er wollte weder etwas wissen noch etwas verstehen. Das hatte er sich vorgenommen. Aber es funktionierte nicht. Er konnte die Augen schließen und sie sich mit den Händen zuhalten, solange er mochte. Wenn er die Hände wieder herunternahm, war die Welt noch immer da und - noch schlimmer - die Leute darin.
    Er schwang die Füße vom Bett und stand auf. Warum hatte er sich dieses Zimmer noch nie genau angesehen? Er wusste es. Es war wegen dieses verdammten Flügels. Er sah die Alte Frau vor sich, wie sie unten gluckte und wartete, dass er irgendeinen Akkord anschlüge.
    Lieber würde er ersticken, ehe er das tun würde.
    Noch in den Strümpfen ging er zwei oder drei Schritte zur Tür und drehte sich dann um. Als der Junge abgehauen oder verschwunden war, hatte die Bullerei sein Zimmer gefilzt, ganz sicher hatte sie das getan, um irgendeinen Hinweis zu finden. Einen Zettel zum Beispiel. Und was die Bullerei nicht gefunden hatte, hätte die Alte Frau gefunden, lange genug hat sie ja Zeit gehabt und oft genug geputzt... Also würde er nur dort etwas finden, dachte er, wo niemand gesucht hatte. Niemand sucht, wo kein Versteck sein kann.
    Sein Blick fiel auf das Bücher- und Musikregal, tastete die Buchreihen und die Schallplatten und den CD-Stapel ab. In einem Buch kann man einen Zettel verstecken oder einen Brief oder auch einen Geldschein. Aber es ist kein gutes Versteck. Man nimmt das Buch, mit dem Rücken nach oben, klappt es auf, und schon flattert alles heraus - das unter der Schulbank durchgereichte Briefchen, der Zettel,

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