Forellenquintett
nicht Telefon.«
»Und worüber?«
»Grüße von Berisha. Er dir helfe. Wo reden?«
Ah ja, dachte Tamar.
»Ich bin nicht in Ulm. Ich bin in Aeschenhorn. Das ist bei Friedrichshafen. Können Sie morgen hier sein?«
»Du nicht nach Ulm komme?«
»Nein. Aeschenhorn heißt der Ort. Rufen Sie mich wieder an, sobald Sie hier sind.«
Sie schaltete das Handy ab und steckte es wieder ein. Marlen war ein paar Schritte weitergegangen und wartend stehen geblieben. Jetzt wandte sie sich um, deutete einen Knicks an und wies auf ein kleines, blau verputztes Haus mit gelben Fensterläden.
»Als Ihre Fremdenführerin darf ich Ihnen hier das Haus einer weiteren bedeutenden Persönlichkeit vorstellen, das von Madame Walburga, das ist nämlich die absolut größte aller Kartenlegerinnen und Wahrsagerinnen, Sie werden es mir auf der Stelle glauben, wenn Sie Madame nur erst einmal gesehen haben...«
»Gibt es denn einen Grund, warum ich sie mir ansehen sollte?«, fragte die Kommissarin. Sie fühlte sich müde und leer und hatte das ärgerliche Gefühl, sie hätte ihre Kollegin Ruoff etwas mehr auf Distanz halten müssen.
»So habe ich das nicht gemeint, wirklich nicht«, versicherte Marlen Ruoff eilig. »Obwohl sie vermutlich viel über das Dorf weiß, schließlich lebt sie seit mindestens zwanzig Jahren hier.«
Tamar nickte ungeduldig. »Als der kleine Jehle hier das letzte Mal gesehen wurde, war er mit dem Rad unterwegs, ist aber offenbar nicht nach Hause gefahren, sondern in die andere Richtung. Eine Zeugin hat das gesehen, Moment.« Sie holte ihr Notizbuch aus der Innentasche ihres Jacketts. »Eine Olga Stubbinger... Was genau hat sie gemeint?«
»Ach!«, kam es statt einer Antwort, »die Tante...« Eine leichte Röte zog sich über Marlen Ruoffs Gesicht. »Sie hat hier gewohnt, in dem Häuschen neben dem von Madame...«
»Lebt sie noch?«
»Sie wohnt jetzt im Stift, wie meine Großmutter. Aber ich weiß nicht, ob sie Ihnen viel sagen kann. Sie ist...« Sie brach ab, als sei sie eben dabei, etwas Taktloses zu äußern. »Sie ist diese Tante, mit der wir eigentlich gar nicht verwandt sind, vielleicht um ein paar Ecken von meines Großvaters Seite her, und sie ist schon ziemlich verkalkt. Jedenfalls behauptet das meine Großmutter, was natürlich so viel auch nicht heißen will, denn wenn man sie hört, sind alle gaga, nur sie ist noch fit.« Sie lachte, entschuldigend oder verlegen. »Wenn Sie wollen, kann ich Sie ins Stift fahren, das heißt...« Sie unterbrach sich und sah auf ihre Armbanduhr. »Jetzt wäre es allerdings gerade nicht so günstig, da beginnen die nämlich schon, die alten Leute für die Nacht vorzubereiten.«
»Das hat Zeit«, sagte Tamar und fand es selbst ein wenig barsch. »Im Augenblick will ich nur wissen, was sie gemeint haben kann. Wohin ist Bastian gefahren?«
»Wenn er nicht zurück ins Dorf ist, hätte er zur Tettnanger Straße fahren können, das wäre die Richtung zur Bundesstraße gewesen«, kam die Antwort. »Oder er ist weiter vorne wieder rechts abgebogen und dann weiter zur Hängebrücke. Aber wenn er das wollte, hätte er gleich den Weg da genommen.« Sie deutete auf den Pfad, der zwischen dem Staketenzaun des Schulgartens und dem Bretterzaun eines auf der anderen Seite angrenzenden Obstgartens verlief.
»Kommt da einer mit dem Fahrrad durch?«
»Das geht schon«, antwortete Marlen. »Ich bin da oft mit dem Rad gefahren.«
Tamar ging den Pfad entlang, an den Gärten vorbei, und blieb vor einem rotweißen Sperrbalken stehen. Dahinter war eine Baustelle. Der Weg oder die kleine Straße, in die der Pfad hätte münden sollen, war aufgerissen und das Fundament mit lehmigem Kies neu aufgeschüttet worden. Tamar ging an der Absperrung vorbei und stakte über den lehmigen Boden zu der mit Bäumen bestandenen Böschung, die sich auf der anderen Seite über dem aufgerissenen Weg erhob. Sie stieg hinauf, unter ihr war die Aesche, ziemlich tief, ohne sichtbare Strömung, unweit der Mündung. Rechts war bereits die Horizontlinie des Sees zu sehen.
Marlen Ruoff deutete flussabwärts. »Da unten kommt man zum Hafen und natürlich auch in den Ort zurück.«
»Und links?«
»Nach ein paar hundert Metern kommt da die Hängebrücke. Von dort aus geht es weiter in Richtung Wasserburg oder Lindau.«
Tamar sah um sich, mit etwas missmutigem Gesicht. »Können wir das mit dem Wagen abfahren?«
E s war tatsächlich das Forellenquintett, eine Bearbeitung für Klavier oder vermutlich nur
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