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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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gefunden?«
    »Wir nichts«, Marlen Ruoff versuchte ein kurzes Lachen, »aber die Wasserschutzpolizei uns, und dann hat es ziemlichen Ärger gegeben, weil das Schlauchboot dem Gerd seinem Onkel gehört hat.«
    Ein Stauwehr kam in Sicht und ließ die Aesche einen kleinen Wasserfall hinabschäumen, einen oder anderthalb Meter tief. Knapp hundert Meter weiter spannte sich eine freitragende Stahlbetonbrücke über das Flussbett.
    »Die Bundesstraße«, erklärte Marlen Ruoff. Der Wanderweg teilte sich, eine Rampe führte zur Straße hinauf, der Hauptweg senkte sich ab, um die Brücke zu unterqueren, und verlief entlang eines Betonpfeilers über eine mit buckligen Steinquadern gepflasterte Mole.
    Tamar blieb stehen. Über ihr - so niedrig, dass sie sie mit der ausgestreckten Hand fast würde erreichen können - hing der Unterboden der Brücke, und neben ihr schien der Fluss plötzlich sehr nah, nur durch eine Böschung von der oberen Kante der Mole getrennt. Auf dem Pflaster lagen Bierdosen, und über die Betonwand des Pfeilers kroch ein verblasster glubschäugiger Flaschengeist, das Erzeugnis eines mäßig begabten Sprayers aus den frühen neunziger Jahren. Aus einer plötzlichen Eingebung heraus ging sie zum Pfeiler, bückte sich und untersuchte die Betonwand. Aber sie konnte keine Verfärbungen entdecken, auch keine Stellen, die ausgebessert oder mit dem Sandstrahler gereinigt worden wären.
    »Was haben Sie?«, fragte Marlen Ruoff.
    Tamar Wegenast gab keine Antwort. Sie richtete sich wieder auf und betrachtete die Böschung, die steil zum Fluss hinabführte.
    »Wissen Sie, ob das Hochwasser damals die Mole hier überschwemmt hat?«
    Marlen Ruoff sah sie groß an. »Sie müssen entschuldigen, aber das weiß ich nun wirklich nicht mehr. Und dass der Bastian Jehle hierher gekommen ist, das kann ich nicht glauben...« Sie sah sich um und wies mit der Schuhspitze auf ein gebrauchtes Kondom, das am Rand der Böschung lag. »Das ist kein Platz und war’s damals auch nicht, wo sich ein Junge wie der was zu suchen getraut hat.«
    »Und wer war das, der sich hier was getraut hat?«
    Marlen Ruoff zuckte mit den Schultern. »Mich dürfen Sie nicht fragen. Ich bin eine Späte. Damals hab ich’s mit so etwas noch nicht so gehabt.«
    Tamar Wegenast zeigte über den Fluss, zu dem Pfeiler am anderen Ufer, der unmittelbar aus der Böschung aufragte. »Da drüben ist keine Unterführung?«
    »Nein«, kam die Antwort, »da drüben sind nur Rampen, unterund oberhalb der Brücke, und man muss die Bundesstraße überqueren. Aber man kann über die Brücke auf diese Seite wechseln und hier die Unterführung nehmen.«
    »Bisschen umständlich.« Tamar sah auf ihre Armbanduhr. »Ich glaube, ich sollte jetzt zurück und mir ein Hotel suchen... Haben die im Seehof wohl auch Zimmer zum Marktplatz hin?«
    Marlen vermied es, zu ihr hinzusehen. »Ich glaube schon«, sagte sie zögernd, »aber warum wollen Sie nicht eines mit Seeblick?«

Montag, 10. Oktober, Abend
    S tefanie stempelte die letzten Lottoscheine ab, und das Ehepaar, das sich nach Taschenbüchern umgesehen hatte, war fündig geworden. Martin Jehle tippte den Preis für einen Kriminalroman und ein Paperback über die Verschwörung von »Ground Zero« ein, Bücher über Verschwörungen gingen das ganze Jahr recht gut, aber im Herbst besonders. Es wunderte ihn nicht. Die Welt war so.
    Stefanie kam aus dem Lager, bereits im Mantel, wollte aber noch nicht gehen.
    »Einen schönen Feierabend auch«, sagte Jehle. »Oder ist noch was?«
    »Eigentlich nicht. Aber ich wollte Sie fragen...« Sie sprach nicht weiter. Aus dem Flur war Elisabeth Jehle in den Laden getreten, zwei Briefe in der Hand.
    Jehle sah hoch. Stefanie war plötzlich rot geworden. Das sah ihr nicht sehr ähnlich. »Ja? Fragen Sie nur.«
    Stefanie blickte zweifelnd von dem einen zum anderen und wandte sich dann entschlossen an Elisabeth Jehle. »Ich hatte gerade Ihren Mann fragen wollen, ob Ihr Sohn vielleicht Lust hat, sich ein bisschen im Ort umzusehen, vielleicht ein Bummel über die Promenade, das interessiert ihn doch sicher, wie das heute aussieht.«
    Die Eheleute wechselten einen Blick.
    »Das kommt eigentlich zu früh«, stellte Elisabeth Jehle fest.
    »Das meine ich fast auch«, folgte ihr Mann.
    »Ich glaub aber«, fuhr Stefanie trotzig fort, »so lustig ist das für den Bastian gar nicht, mit Ihnen abends vor dem Fernseher zu sitzen. Jetzt haben Sie ihn doch hierher zurückgebracht, und da muss er doch auch sehen, wo

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