Forellenquintett
es südlich der Donau und im Alpenvorland regnen, hatte der Sprecher gesagt, und am Bodensee könne es Sturmböen geben.
»Bastians Rad ist angeblich in Wasserburg bei einem Minigolfplatz gefunden worden. Wie weit ist es bis dorthin?«
Marlen Ruoff zögerte. »Auf der Landstraße sind das ungefähr acht Kilometer, aber mit dem Rad macht die Strecke keinen Spaß. Ich wäre nach der Brücke entlang der Aesche gefahren, und weiter auf dem Bodensee-Rundweg Richtung Lindau, und in keinen zwanzig Minuten bei dem Minigolfplatz gewesen. Den gibt es übrigens immer noch...«
Tamar nickte. »Dort müssen wir jetzt nicht recherchieren«, sagte sie dann. »Ich würde gerne ein paar Schritte gehen.«
Marlen Ruoff setzte ihre Uniformmütze auf und zog sie fest. »Sie sind der Chef.«
Tamar fand, dass die Antwort ein wenig spöttisch geklungen hatte. Offenbar waren der Polizistin Ruoff Zweifel an der Seriosität ihres Auftrags oder an der beruflichen Kompetenz der Kommissarin überhaupt gekommen. Vielleicht hatte sie sich auch nur über Tamars Rückschluss auf den Kleingarten der Tante geärgert und musste das kompensieren.
Ein Weg führte vom Parkplatz zu den Baumreihen hoch und dann zu dem Fluss hinab. Die Aesche floss durch ein breites, zu beiden Seiten von Dämmen eingefasstes Flussbett, die Dämme waren von den Bäumen bestanden, die Tamar schon von weitem gesehen hatte. Obwohl die Mündung nicht mehr weit sein konnte, wies der Fluss noch immer ein ziemliches Gefälle auf und schäumte über Gestein und künstlich angelegte Flussschwellen.
»Das hat vor siebzehn Jahren auch schon so ausgesehen?«
»Ja, natürlich.« Marlen Ruoff warf ihr einen irritierten Blick zu. »Das heißt, als der Bastian verschwunden ist, war hier Hochwasser... Und dann sieht es hier anders aus, das dürfen Sie mir glauben.«
Tamar Wegenast blickte sich um. Von der Dammkrone mit ihren windschiefen Bäumen führte ein Abhang bis zu dem Weg, auf dem sie gingen. Wieder etwas darunter begannen die Uferwiesen, die bis zur Aesche hinabführten. Der Weg war festgetreten, teilweise mit Kies aufgefüllt und von Fahrradspuren durchzogen.
Sie deutete nach links. »Wohin kommen wir da?«
»Da quert zuerst die Bundesstraße, und dann kommt das Zollhaus, das ist zur Abwechslung mal ein richtig alter Gasthof.«
Tamar schlug die Richtung flussaufwärts ein. Warum tat sie das? Vermutlich wusste sie es selbst nicht. Sie wartete darauf, dass diese Landschaft ihr etwas sagte. Aber die Landschaft wollte nicht reden.
»In zwanzig Minuten oder weniger, sagten Sie, sei man mit dem Rad in Wasserburg. Auf der Wanderkarte sah mir das ein bisschen länger aus.«
»Vielleicht braucht man auch eine halbe Stunde«, korrigierte sich Marlen. »Es kommt darauf an, wie schnell man ist.«
»Aber Sie wären bei den Schnellen?«
Marlen Ruoff warf ihr ein verlegenes Lächeln zu. »Als Mädchen war ich im Radsportverein.«
»Erfolgreich?«
»Einmal war ich Zweite bei der Allgäu-Rundfahrt der Juniorinnen, das war es dann schon.«
»Das ist doch etwas«, meinte Tamar. Unvermittelt deutete sie über den Fluss. »Auf der anderen Seite ist auch ein Radweg angelegt?«
»Ja«, kam die Antwort. »Aber was glauben Sie, wie das im Sommer hier aussieht, da sind die ganzen Wiesen links und rechts belegt, und alle Leute müssen Feuerchen machen und grillen.«
Tamar Wegenast ging weiter, als wäre sie auf der Suche. Auf der Suche wonach? Sie hätte die Frage nicht beantworten können.
»Heute Morgen, in dem Stehcafé, haben Sie mir erzählt, dass Sie mit anderen gemeinsam nach dem verschwundenen Bastian gesucht haben... Wer war das, und wo haben Sie da gesucht?«
Aus den Augenwinkeln sah sie, dass sich in Marlen Ruoffs Gesicht etwas veränderte. So, als würden die schmalen Lippen noch schmaler.
»Ich glaube, ich sagte Ihnen schon, dass mir diese Geschichte peinlich ist. Das Ganze war ein aufgeregter Einfall von drei halbwüchsigen Mädchen, also von mir und zwei Freundinnen...«
»Wer waren die beiden anderen Mädchen?«
»Die eine war die Elke, die Blonde, die Sie vorhin gesehen haben, als sie und der Gerd Hoflach aus Jehles Laden kamen... Gerd war übrigens auch dabei, das heißt, er war nicht bloß dabei, ohne ihn wäre die Aktion gar nicht möglich gewesen. Er hat nämlich ein Schlauchboot mit einem Außenborder besorgt, und als das Hochwasser sich beruhigt hat und vom See zurückgestaut wurde, sind wir damit die Mündung abgefahren.«
»Und? Haben Sie etwas
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