Forever in Berlin
arrogant und angeberisch. Da kann ich mich doch nicht ernsthaft reinsetzen.«
Chris verdrehte die Augen. »Möchten Madame zur nächsten Sixt-Filiale fahren und einen Honda Prius mieten?«
»Nein, das wäre ja wirklich albern.«
»Du bist albern, meine Liebe.«
Lilly wühlte in ihrer Handtasche. Sie kramte eine Beanie-Mütze hervor, die sie sich aufsetzte und tief ins Gesicht zog. Dann zauberte sie ihre Aviator-Sonnenbrille sowie einen Schal heraus, den sie sich wie ein Bankräuber um den Hals und über den Mund schlang.
»Also gut. Ich bin bereit.«
Endlich stieg sie ein.
Chris macht ihr die Beifahrertür zu und ging um den Porsche herum zur Fahrertür, um einzusteigen. Hatte er gerade belustigt den Kopf geschüttelt?
»Na, dann kann’s ja losgehen, Du Panzerknacker.«
Lilly und Chris wollten das Wochenende auf der Insel Rügen an der Ostsee verbringen, wo Lilly noch nie gewesen war. Sie kannte sich im Süden der Republik besser aus. Dort war Chris noch nie gewesen, weil seine Eltern – tataaaa – natürlich eine Villa auf Sylt besaßen. Sie hatten sich ein modernes Ferienhäuschen in Sellin direkt am Strand (Lillys Bedingung) gemietet, das den Namen ,Leuchtfeuer’ trug und einen offenen Kamin (Chris’ Bedingung) hatte.
»Was wollt Ihr denn jetzt machen?«, fragte Chris während er den ersten Gang einlegte und den Sportwagen mit einem markigen Motorschnurren zum Fahren brachte.
Aber Lilly ignorierte seine Frage. »Dreh’ mal die Heizung runter. Hier drin ist es viel zu warm.«
»Hier ist es nicht zu warm, Du verzogene Göre. Du hast nur zu viel an. Zieh endlich die Verkleidung aus.«
»Erst wenn wir aus dem Prenzlberg raus sind.«
Auf der Autobahn schälte sich Lilly dann tatsächlich aus ihren diversen Jackemützenschals und kam wieder auf das Ausgangsthema zurück.
»Wir haben uns noch nicht entschieden, was wir machen wollen. Die Ideen reichen von aussitzen über umziehen bis verkaufen.«
»Euch liegt sehr viel an Eurem Laden, oder?«, fragte Chris vorsichtig.
»Na, logisch! Das Café Solo ist das Erste, was wir vier selbständig auf die Beine gestellt haben. Kannst Dir ja vorstellen, dass meine Eltern nicht gerade begeistert waren. Die Kulturwissenschaftlerin als Kaffee-Brauerin.«
»Wie seid ihr eigentlich darauf gekommen, gerade ein Café aufzumachen?«
»Wir kannten uns alle von der Uni. Em und ich sogar schon viel länger, noch aus Schulzeiten. Wir hingen immer in dem Oma-Café ab, dem Vorgänger vom Solo. Es war einfach so sonnenklar, was die falsch machten. Olle Kuchen, draußen nur Kännchen, frotzelige Berliner Bedienungen. Als der Schuppen dann zum Verkauf stand, haben wir ein Konzept entwickelt und zugeschlagen. Persönliche Ansprache, hochqualitatives Essen, möglichst bio und aus der Region, und natürlich besonderer Kaffee. Tim, der eine Weile durch Lateinamerika gereist war, hat da eine besondere Quelle aufgetan. Super Qualität, fair gehandelt. Ein bisschen teurer, klar. Aber wir wussten, dass wir hier im Prenzlberg die Kundschaft dafür hatten. Junge Leute, die sich bewusst ernähren, aber trotzdem kein Jutetaschenambiente wollten.«
»Und ihr seid erfolgreich damit.«
»Genau. Wir haben im ersten Jahr schon einen satten Gewinn eingefahren. Das Stadtmagazin ,City’ hat uns zum ,Besten Newcomer’ gewählt. Wir werden auf allen coolen Blogs der Stadt empfohlen.«
»Und jetzt…«
Lilly unterbrach ihn wütend. »Und jetzt kommt so eine verdammte Kette und kopiert unser Konzept in großem Stil!«
Sie hatte Tränen in den Augen, so aufgewühlt war sie. Dann atmete sie einmal tief durch, legte Chris die Hand beschwichtigend aufs Bein und sagte: »Lass uns das ganze Wochenende einfach nicht drüber reden, okay? Wir tun so, als wäre das alles hier nicht wahr.«
»Okay«, antwortete Chris. Und er schien irgendwie erleichtert zu sein.
Als sie auf Rügen ankamen, ging gerade die Sonne unter. Ein kalter Wind blies ihnen von der Ostsee her ins Gesicht, aber Lilly konnte sich in diesem Moment nichts Romantischeres vorstellen, als im Winter am Meer zu sein. Nachdem sie ihre Sachen in den blütenweißen Bungalow gebracht hatten, machten sie einen schnellen Strandspaziergang. Die kleinen Wellen rollten gleichmäßig über den Sand. Ein paar vereinzelte Seemöwen standen stockstill im Wind. Es roch nach Kälte und nach Salz, und Lilly und Chris waren die einzigen, die sich so spät noch hinausgewagt hatten.
»Ich muss Dir noch eine Sache sagen«, kündigte Lilly an, drehte
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