Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
ihr die Truppe! Ihr helft nachher den Frauen
beim Spülen, das wird euch die Faxen austreiben! Halfast, du wirst eben zwei
Wochen ohne die Geige auskommen müssen“, fuhr der Chef fort. „Wir werden uns
eine Verdienstmöglichkeit für dich überlegen – vielleicht kannst du das
Jonglieren ja etwas ausbauen. Und jetzt weitermachen! Wir wollen endlich essen,
also nehmt für den Anfang das Fängergarn und tut, was er gesagt hat!“
James schnappte eine der beiden Garnrollen aus dem
Flug, die andere traf den wutschnaubenden Halfast, und so machten sie sich wohl
oder übel daran, die dünne Schnur am nächsten Wagen zu befestigen und
weiterzuziehen.
„ Die Bleichen – was für ein Schwachsinn! Was
für ein ragoischi soll so einen Quatsch glauben?!“, schimpfte Halfast.
„Sollen wir uns jetzt zwei Wochen lang so einen Irrsinn anhören? Was ist mit
dem Chef los, dass er sich davon beeindrucken lässt?! Hat etwa irgendwer heute irgendwas gesehen, das nach Gelichter aussah?!“
„Nö. Ich jedenfalls nicht“, erwiderte James. Aber die
Luft prickelte auf seiner Haut, seit er von dieser Scheibe heruntergestiegen
war. Etwas war anders hier. Vielleicht war es nur die Kälte der
Wassertropfen, die aus seinem nassen Haar fielen. Aber mit Angst hatte es
jedenfalls nichts zu tun.
Erst nachdem die Hühner und die Kessel mit fettem
Eintopf vom Feuer waren, ließ Jakobe zu, dass Taizia eine Handvoll von dem Zeug
in die Flammen warf, das ihnen der Gelichterjäger dagelassen hatte.
Palintegrus. Es knisterte und loderte hier und da auf, dann breitete sich ein
starker Duft aus, und erstaunt sahen sie, wie Schatten von ihren Wagendächern
aufschwirrten.
„Da sitzen schon welche!“, rief jemand, und für einen
Moment hielten alle inne und sahen hin. Keiner hatte sie kommen sehen. Große
Nachtfalter mussten das sein oder vielleicht auch sehr kleine Fledermäuse. Sie
verschwanden wieder in die Nacht, ohne nähergekommen zu sein.
James war zu hungrig und das Essen war zu gut, als
dass er seine Aufmerksamkeit jetzt diesen Viechern hätte schenken können, und
den anderen ging es ähnlich. Sie rückten vielleicht ein bisschen näher ans
Feuer, auch wurden die Kinder nochmals ermahnt, nicht in der Dunkelheit
herumzurennen und vor allem nicht das Viereck der Wagen zu verlassen. Aber dann
wandte man sich wieder dem Essen zu und überließ Aberglauben und Dämonenfurcht
den Einwohnern von Kantabre. Es war ein guter Tag gewesen, eine erfolgreiche
und einträgliche Vorstellung, und man hatte einen guten Platz zum Lagern und
eine üppige Mahlzeit. Was wollte man mehr?
Als er sich einen Nachschlag holte, winkte ihm Nella
zu und hielt den strampelnden Piro in die Höhe. Sie sah glücklich aus, und
wieder regte sich diese ungewohnte Empfindung in ihm – ein Gefühl von Macht?
Von Unangreifbarkeit?
Ich hab alles im Griff. Ich bin der Hakemi. Nicht mal
die Chudderley kann’s mit dem Hakemi von der Messerscheibe aufnehmen, fasste er
es spöttisch in Worte, aber das Gefühl blieb unbezweifelbar da.
Er saß zwischen den Peregrini, und heute gehörte er
einfach dazu – nur weil er sich an diese bescheuerte Scheibe gestellt hatte.
Carmino hatte ihn darüber vorhin schon ausgefragt und bekannt, dass er sich
auch heute nicht getraut habe, sich zu melden. Halfast meinte, dass er das ganz bestimmt nie tun würde. Firn wäre gut – „ erstklassig “,
korrigierte dieser gleichmütig – aber bestimmt nicht unfehlbar, und er würde es
nicht riskieren, dass man ihm die Hände zerschnitt. Was ihn auf das leidige
Thema des Fiedelverbots zurückbrachte. Und weil er damit Horgest und Firn
gleichermaßen auf die Nerven fiel, hätte es beinahe noch eine Schlägerei
gegeben.
Carmino holte sich noch eine Portion, und als er sich
wieder setzte, grinste er James an. „Hey, du kommst gerade in meinem Traum
vor“, sagte er.
„Und ich dachte, du wärst in meinem “,
erwiderte James nachdenklich.
9. Begegnungen der seltsamen
Art
1
„Du
bist vom Glockenturm gefallen“, sagte die tränenerstickte Stimme seiner Mutter
und riss ihn damit aus dem Schlaf. Seine Mutter weinte nie. Außerdem sagte sie
es mit den falschen Worten – eigentlich meinte sie, dass er einen Stromschlag
abgekriegt hatte. Aber er verstand sie trotzdem.
Nein! ,
dachte er, wollte es rufen, aber es kam kein Laut aus seiner Kehle. Doch
nicht noch mal!
„Du musst ganz still liegen, mein Schatz“, fuhr sie
fort, und nun konnte er sie auch sehen. Sie beugte sich über ihn. Ihr Haar
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