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Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Titel: Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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war
noch tiefbraun.
    „Mir ist so kalt“, sagte es in ihm, und er sprach es
mit, mit dem Siebenjährigen zusammen, der das damals gesagt hatte, hörte dabei
beide Stimmen, seine jetzige und die Kinderstimme. Und dann war er wirklich wach, wälzte sich auf dem piekenden Stroh herum und blinzelte in die breite
Bahn aus Morgenlicht, die in den Gilwisselwagen fiel. Die Tür stand weit offen
und ließ den kalten Zug hinein, den er bis in den Schlaf gespürt hatte. Das
Glockengeläut, das seinen Traum durchdrungen und die Rede seiner Mutter
durcheinandergebracht hatte, war immer noch zu hören.
    Er setzte sich auf. Irgendwann in der Nacht war er von
seiner Schlafecke im Stroh weggerollt, und danach war jemand auf seinen Arm
getreten, wie er sich jetzt erinnerte. Unwillkürlich betrachtete er seine
rechte Hand, aber da war kein Verband. Es war nicht noch einmal passiert. War
nur ein Traum gewesen. Seine Mutter hatte er jedoch noch ganz deutlich vor
Augen: eine Imogen Barrett noch ohne Grau im Haar. An sie konnte er jetzt nicht
denken, nicht daran, was sie in diesen Tagen durchmachen mochte. Was sie damals
durchgemacht haben musste, als die Ambulanz ihn aus dem halbfertigen Neubau am
Ende der Harlequin Lane abtransportiert hatte.
    Sieben war er gewesen, und bis heute konnte er sich
nicht erinnern, was in diesem faszinierenden Betonkasten er angefasst hatte. Es
hatte ihn rückwärts auf die Treppe geworfen, wo er dann zuckend liegengeblieben
war. Adrian hatte diese Szene immer wieder und in immer reißerischeren Bildern
geschildert, jedenfalls nachdem der erste Schreck überwunden und es klar war,
dass er die Sache ohne größere Schäden überstanden hatte.
    Zu dritt hatten sie sich in diese nackten, grauen,
nach Kalk und Mörtel riechenden Zimmerfluchten geschlichen, in denen es zwar
Treppen, aber noch keine Geländer gab und ein leerer Schacht neben den Stufen
gähnte, der vom dritten Stock bis in den Keller reichte. Ein paar Kabel
baumelten in diesen Schacht hinunter, und eins von denen musste es wohl gewesen
sein.
    Er kam mit einer Verbrennung am rechten Unterarm
davon. Wie eine Flamme hatte es vom kleinen Finger bis zur Hälfte des Ellbogens
heraufgeleckt. Heute sah man da nur noch einen Streifen weißes Narbengewebe,
und der Finger war ein bisschen kleiner geblieben und stark vernarbt. Aber
darüber hinaus hatte er nur einen Schock gehabt, konnte sich noch blass an
Wochen voller Albträume und des ständigen Frierens erinnern. Das war sozusagen
der erste Unfall gewesen.
    Das Glockenläuten draußen dröhnte immer weiter, war
wie ein Wecker, den man nicht ausschalten kann. Musste der Glockenturm auf dem Marktplatz
sein, wo sie gestern Abend die Vorstellung gegeben hatten. Die Scheibe fiel ihm
ein, und seine hirnlose Dämlichkeit … Hatte er sich wirklich daran binden
lassen, damit irgendein Feld-, Wald- und Wiesengaukler Messer auf ihn warf?!
Und da war’s nicht mal mehr ums Geld gegangen. Die Wahrheit war, er hatte
dazugehören wollen. Wie Carmino, der das so locker schaffte. Mann, war das
jetzt schon das Stockholm-Syndrom?
    Gähnend stand er auf, schlug sich das Stroh aus Haaren
und Klamotten. Irgendwer schnarchte hier entsetzlich laut – Horgest, klar, das
war Horgest. Der Krach hatte ihn die halbe Nacht am Schlafen gehindert, das
Geschnarche und das sirrende Pfeifen und Klingeln von den Abwehrstandarten
draußen im Zaun. Ob die Nachtwachen wirklich Gelichter gesichtet hatten?
    Als er die Stufen hinunterging, verstummte die Glocke
endlich, als hätte sie ihren Zweck jetzt erfüllt. Die Morgenluft im Schatten
des Zaunes war kühl und der Wind noch nicht ganz aufgewacht, aber die Truppe
war schon auf den Beinen, und es sah alles aus wie an jedem Morgen bisher: Die
Frauen waren zwischen Wagen und Feuerstelle zugange, und im Hintergrund
lungerte ein halbes Dutzend Männer herum und wartete auf den Makave. Er hatte
schnell begriffen, dass beim Stern von Montagu keine Emanzipation
erwünscht, sondern Machismo gefragt war. Die Frauen hatten komisch geguckt, als
er sich anfangs aus Gewohnheit hatte nützlich machen wollen (in der Harlequin
Lane war das Frühstück für ihn und seine Brüder immer seine Aufgabe gewesen),
dann hatten sie ihn weggescheucht.
    Und weil er bestimmt nicht vorhatte, irgendwen zu
missionieren, schlenderte er zu der Versammlung vor Brogues Wagen hinüber. Da
standen sie alle: der Chef, sein Sohn John und Lowell Kalendio, schweigsam
rauchend; zwei Schritte weiter Halfast, Stanwell und Firn, die

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