Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
herum. Es war kein Verkäufer zu sehen. Stattdessen starrten sie
von der Wand hinter der Kassentheke zwei harte Augen an. Dort hing das große,
holzgerahmte Porträt eines Mannes mit einem fetten, zynischen Gesicht unter
grauen Haarfransen. Der fächerförmige, weiße Spitzenkragen, der seinen Hals
direkt unter dem Kinn einfasste, sah aus wie eine Kostümierung, aber die
wappenartige Anordnung von Symbolen in einer Ecke des Bildes gab ihm einen
offiziellen Anstrich. Seine Farben waren allerdings schon ein bisschen
verblichen, und auf dem rot gestrichenen Rahmen lag eine dicke Staubschicht.
„Da hängt der Winkelmeister höchstpersönlich“, grinste
Juniper.
„Falsch. Das ist Offa Oswiu, Präfekt von Orolo“,
korrigierte Halfast, kühl und ziemlich von oben herab.
In diesem Moment bellte es von irgendwoher unter dem
Laden: „ Barbara ! Kundschaft!“
„Komme schon!“ antwortete eine vergnügte Stimme.
„Wenn’s einer von diesen Peregrini ist, lass ihn nicht
aus den Augen!“
„Mach ich!“, rief Barbara genauso vergnügt wie zuvor,
und so sah sie ihnen auch entgegen, als sie zwischen den vollgestopften Regalen
hervorkam. „ Cherete, haike und guten Tag!“ Ihr Blick ging unbefangen
zwischen ihnen hin und her, obwohl sie sich nicht nur einem, sondern gleich
sieben jungen Peregrini gegenübersah. James beschlich der Gedanke, dass sie
wohl besser nacheinander einkaufen gegangen wären. Aber die Verkäuferin ließ
sich nicht aus der Fassung bringen. Ihr Blick blieb an Firn hängen. Sie
lächelte ihn an. „Was kann ich für euch tun?“
„Euer Präfekt da braucht mal wieder den Staubwedel“,
sagte Juniper. Carmino kicherte.
„Ihr beide wartet draußen, bis wir hier fertig sind“,
entschied Stanwell daraufhin und sah seinen Bruder genervt an. „Wir sind ’n
paar zu viele auf einmal. Los, zieht ab!“
Bei Bedarf konnte Stanwell ganz schön autoritär sein,
das hatte James schon bemerkt. Die beiden verließen den Laden beinahe
kommentarlos. In das erneute Klongen der Türglocke hinein sagte Firn: „Ich
brauche Öl. Am besten Orangenöl. Und einen guten Wetzstein.“
„Ich will einen Brogorzahn.“ Horgest starrte der
Verkäuferin gierig auf den Ausschnitt.
„Wir sollen auch die zwei Säcke Schwarzpilfa abholen,
die bestellt wurden –“
„Und Bärlappsporen … Feuerpulver, habt ihr das auch?“
„Wir sind wohl immer noch zu viele –“, murmelte
Stanwell, aber die Frau blieb bei ihrem Lächeln.
„Eric! Oliver! Kommt doch mal!“, rief sie nach hinten
in den Laden. „So viel Kundschaft auf einmal haben wir selten. Meine Söhne
werden euch helfen.“ Zwei Jungen, um die zehn Jahre alt, hetzten aus zwei
verschiedenen Richtungen herbei und betrachteten die Versammlung von Fremden
mit neugierigen Blicken. „Führt die Leute durch den Laden. Tragt ihnen die
Körbe. Seht euch ruhig um“, wandte sie sich dann wieder an ihre Kunden. „Was
ihr kaufen wollt, das legt ihr meinen Jungs in die Körbe.“
Während sie sich zwischen den Regalen drängten, fragte
der eine Junge: „Ihr gehört zu den Peregrini, die draußen auf der Fendra-Aue
lagern, oder?“
Stanwell nickte. „Heute Nachmittag geben wir eine
Vorstellung. Kommt hin und bringt alle eure Freunde mit.“
„Habt ihr auch einen, der Feuer spuckt?“
„Und ob. Der da.“
Horgest nahm den ehrfurchtsvollen Blick, der ihm
daraufhin zuteilwurde, gnädig entgegen. „Zeig mir mal die Brogorzähne“,
verlangte er. Der Junge nickte eifrig und ging voran.
„Ich bin der Messerwerfer“, sagte Firn mit leiser
Ironie. „Und ich brauche –“
„Öl und Wetzsteine“, ergänzte die Verkäuferin und
stand schon neben ihm. „Das übernehme ich. Komm mit!“
Stanwell und James sahen sich an und grinsten. War
immer dasselbe mit Firn und den Frauen.
„Und wer sieht uns jetzt auf die Finger, dass wir
nichts mitgehen lassen?“, ätzte Halfast, als Barbara Mole mit Firn im nächsten
Gang verschwand.
„Das mache ich “, meldete sich der andere Junge.
Halfast sah noch saurer drein.
„Was du brauchst, ist so ein Sack Kulimandras hier!“
Stanwell nahm einen gefüllten Leinenbeutel aus einem Stapel, von dem ein
betäubend süßer Duft ausging. „Ist gut gegen schlechte Laune.“
„Ach, mach’s dir doch selbst“, maulte Halfast, drängte
sich an dem Jungen vorbei und entschwand in die Tiefen des Ladens.
Wie man von außen schon hatte vermuten können,
verkaufte der Laden so ziemlich alles, von Lebensmitteln über Kleidung und
Seifen
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