Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
gesehen! Und er sah sie jetzt wieder vor sich: ihren verschwiegenen Mund, die
fest geschlossenen Lippen und die Augen, die etwas sagen wollten. Hilf mir! War es das gewesen, was er hätte verstehen sollen?
„Ein nützliches Buch“, riss ihn die Verkäuferin aus
den Gedanken. „Die Nordträumer haben uns eine ganze Kiste davon zu einem
günstigen Preis überlassen, deshalb können wir sie so billig verkaufen. Das war
auch die Auflage. Damit möglichst viele Nutzen davon haben. Es ist zwar schon
sehr alt, aber ich habe gehört –“
„ ’Auf dass du überlebest inmitten der Finsternisse’ “,
las Firn den Titel. „Ehrlich, Half, jetzt übertreibst du aber!“
„Halt die Schnauze!“, zischte Halfast. „Du hast keine
Ahnung, wovon du redest. Wie üblich.“ Er streifte die verlangten achtzig Chaval
von seinem Geldreifen – war er nicht gerade noch pleite gewesen? – schnappte
sich sein Päckchen und verließ den Laden. Stanwell atmete auf.
„Ratschläge für das Überleben während des Dunklen
Zeitalters stehen darin“, fuhr die Frau mit ihrer Erklärung fort. „Seit man aus
dem Süden wieder all diese Sachen hört … und dann soll oben in der Tantaleida
sogar schon die Bendewikke wieder unterwegs sein, aber das –“
„Was faselst du schon wieder, Weib! Du sollst die
Kunden bedienen und nicht schwatzen!“ Unbemerkt war ein feister Mann mit
bösartigen kleinen Augen hinter ihnen aufgetaucht. Er hatte zwei Säcke
geschultert und musterte die Fremden. Auch sein Blick blieb an Firns Gesicht
hängen, und die hellblauen Augen verengten sich noch weiter. „Die Herren haben
heute noch mehr zu tun, als deine Geschichten anzuhören. Also pack die Sachen
ein! Hier ist eure Schwarzpilfa. Macht drei Kelvernen pro Sack.“
„Da fällt mir ein – wir sollten John noch Tabak
mitbringen!“, sagte Stanwell.
„Schwarz oder rot?“
„Äh –“
„Der Rote ist leer“, knurrte der Mann.
„Dann schwarzen, bitte.“ Stanwell ließ sich nicht aus
der Ruhe bringen. Die Peregrini waren ablehnendes Verhalten offenbar gewohnt.
Eine Büchse wurde aus dem Schrank geholt. Ein Blechlöffel klirrte. Münzen
klimperten.
„Sie geben nachher eine Vorstellung auf der
Fendra-Aue“, sagte einer der Jungen. „Dürfen wir hin, Dad, bitte?“
„Nein. Ich werf mein sauer verdientes Geld keinem
Hanswurst in den Rachen!“, bellte Mole. „Und jetzt verschwindet zurück in den
Schuppen, da habt ihr noch genug zu tun!“
Die beiden gingen maulend davon, aber ihre Mutter ließ
sich nicht so schnell einschüchtern. „Ach, nun komm schon, Jack! Wie oft
verirrt sich denn so eine Truppe in diese Gegend? Nun lass sie doch!“
„Haben Sie ein Telefon hier?“, platzte James heraus,
einfach um den rot anlaufenden Mann abzulenken. Das gelang. Beide Moles,
Stanwell und Firn sahen ihn verblüfft an.
„Ein was ?“
„Ein Telefon. Um mit Leuten an anderen Orten zu
reden.“
„Nie davon gehört.“
„Meinst du die Post, Ska?“, erkundigte sich Barbara
Mole. „Die nächste Poststation ist in Halmyre, einen Tagesritt von hier.“
„Er hat nicht nach der Post gefragt, Weib! Er sagte Telefon .
Wird irgendein neumodischer Quatsch aus den Städten im Süden sein. Wir haben so
was jedenfalls nicht.“
„Haben Sie denn – äh, Heilkräuter?“ Das war James
gerade erst eingefallen.
„Aber ja, Heilkräuter habe ich in –“
„Die Art Heilkräuter, die ein Kerl wie du braucht, die
gibt’s drüben beim Barbier“, schnappte Jack Mole. „Jetzt bezahlt euren Kram und
seht zu, dass ihr rauskommt. Und das nächste Mal kommt ihr einer nach dem
anderen, anstatt meinen Laden wie ein Gohsenschwarm zu überfallen! In einer
Stadt hält man sich an bestimmte Regeln, und das gilt auch für Leute wie euch!“
Er sagte noch einiges mehr, während seine Frau die restlichen Waren verpackte
und das Geld entgegennahm, und sie atmeten alle auf, als sie endlich draußen
standen.
„Ich schätze, den sehen wir heute nicht bei der
Vorstellung. Dabei fällt mir ein, woher hat Half eigentlich wieder Geld? Wo er
doch im Moment gar nichts einnimmt.“
„Ich hab ihm was geliehen. Was war ’n das für ein
Quatsch mit diesem Telefon, James?“, fragte Stanwell, aber da wurde er am Ärmel
gezupft. Barbara Mole stand in der Tür. „Hier, für dich und deine Braut, Ska.
Für ein langes Leben und viele Kinder.“ Sie hielt ihm einen dunkelroten
Gegenstand hin, der wie eine eingeschrumpfte kleine Frucht aussah.
„Vielen Dank, Onska Mole“,
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