Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
deiner
Reise nach Rhondaport. Ich hab gesehen, wie du lügen kannst – ohne mit der
Wimper zu zucken!“
Sie musste grinsen. „Die Versuchung war einfach zu
groß. Aber es geschah im Sinne der Sache, das musst du zugeben. Diese
Geschichte war doch deine Idee! Du wolltest doch, dass ich mich als reisende
Bäuerin aus Maikonnen ausgebe. Ich wollte das nur ein bisschen glaubhaft
gestalten.“
„Ist dir gelungen. Gut genug, dass ich mich frage,
woher du das eigentlich alles weißt – wenn du wirklich noch nie dort warst!“
„Du hast einige informative Bücher in deiner
Bibliothek.“
„Und du hast immer eine Antwort!“ Er seufzte. „Ich
mach mir einfach Sorgen. Du nimmst das alles nicht ernst genug – du bringst
dich in Gefahr, wenn du dich nicht an die Gesetze hältst. Wenn du jemals das
Gefängnis von Tulsa gesehen hättest, dann wärst du vorsichtiger, glaub mir. Ich
will nicht, dass du da landest. Nicht mal, wenn du mich hier wirklich
abzockst.“
„Das ist nett von dir, Dorian.“ Sie wusste, was ihn
wirklich beunruhigte – nicht die paar Geschichten. Er hatte in ihren Sachen
herumgewühlt und festgestellt, dass sie mehr besaß, als sie rechtmäßig erworben
haben konnte. „Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Ich komme eigentlich
immer irgendwie durch. Das ist so was wie meine besondere Begabung.“
Er knurrte. „Vielleicht bist du ja nicht so schlau,
wie du meinst.“
Es ist nicht nur eine Frage der Schlauheit, dachte
sie. Es ist mehr die Frage, wie viel man einsetzen will. Aber das behielt sie
besser für sich. Es hätte ihn nur noch mehr irritiert.
„Was machst du eigentlich mit all dem Zeug?“
„Ich baue einen Dirloh. Fiel mir ein, als ich die
großen Blätter da am Ufer gesehen habe. In Orolo hab ich früher jede Menge
davon gebaut. Wenn der Leim schnell genug trocknet, können wir ihn heute Abend
noch steigen lassen. Und wenn es so windig bleibt.“
Einen Dirloh? Damit musste ein Drachen gemeint sein.
Sie stieg vom Dach herunter und setzte sich auf den sandigen Boden.
„Flugapparate, hm?“
„Der Vater aller Flugapparate“, stimmte er zu und sah
sie prüfend an. Wartete vielleicht auf Zustimmung oder erhoffte ein paar Informationsbröckchen
über Flugzeuge. Als er einsehen musste, dass die nicht kommen würden, sagte er:
„Früher hab ich alles Mögliche drangehängt, was klingelt, pfeift oder stinkt,
und Augen und Gesichter und Zeichen draufgemalt. Meine Großmutter ließ sie als
Gelichterschutz rund ums Haus aufsteigen. Macht sie heute noch. Ich fand’s
spannend, immer verrücktere Modelle zum Fliegen zu bringen. Als ich so elf,
zwölf war, hab ich jede Menge von den Dingern verkauft. Die Leute waren ganz
wild darauf. Von dem Geld hab ich mir dann irgendwann den alten Wagen hier
gekauft und alles, was ich brauchte, um einen Motor dafür zu bauen.“
Sie mochte seine lässige, ein wenig heisere Stimme und
auch den seltsamen Akzent mit dem rauen R und den sorgfältigen Vokalen,
die sie an die Bemühungen ihrer früheren Lateinlehrer erinnerten. Am besten war
es, dass er einmal wieder so unbefangen redete wie an jenem lang vergangenen
ersten Tag.
Was er da zusammenleimte, sah nach einem ganz schön
gewichtigen Kastendrachen aus. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass dieses
Ding fliegen würde.
„Siehst du das hier?“ Er hielt ihr ein Schilfrohr vor
die Nase, in das er ein paar Öffnungen geschnitten hatte. „Das ist eine
einfache Xandrule – eine Art Flöte. Ich befestige sie hier dran, dann pfeift
das Ding, wenn der Wind es richtig trifft.“
Sie sah ihm zu, wie er Blätter und Papierbögen mit
einem Messer zurechtschnitt, Garnfäden an den Hölzern befestigte, diese dann
mit Leim bestrich und rasch und geschickt die Papiere aufklebte. So flüssig,
fast beiläufig, wie ihm das alles von der Hand ging, musste er das wirklich
schon oft gemacht haben. Sie wollte gerade etwas in diesem Sinne sagen, als er
aufsah.
„Ja – ja, ich weiß, ist nicht die feine Art –“ Sein
Ton war eine unerwartete Mischung aus Verlegenheit und unterdrücktem Ärger.
„Blöderweise kann ich’s nicht anders.“
„Was? Der Drachen – äh, Dirloh? Warum?“
„Nein – nicht das –“ Er wedelte ungeduldig mit den
Händen. „Ach, schon gut …“
„Was denn? Ich hab dich gerade bewundert, wie
geschickt du das alles machst“, sagte sie überrascht. „Meinst du etwa, weil du
Linkshänder bist?“
Sein Nicken war düster und ergeben. „Meine Großmutter
hat so ziemlich alles
Weitere Kostenlose Bücher