Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
versucht, mir das abzugewöhnen, aber irgendwann musste
sogar sie aufgeben. Und das will was heißen.“
„Klingt nach einem harten Leidensweg“, meinte sie
lächelnd.
„War es auch. In der Schule in Halmyre haben sie mir
jahrelang die Hand auf den Rücken gebunden“, sagte er. „Und mit dem aristeros -Schild
auf dem Rücken bin ich fast die ganze Schulzeit rumgelaufen. Hat aber alles
nichts genützt. Ich kann nicht mal richtig denken, wenn ich mit rechts arbeiten
muss – deshalb hatte ich auch keine Chance, auf normalem Weg bei der Sally in
Rhondaport angenommen zu werden.“
„Dumm genug von ihnen. Sonst hätten sie vielleicht
längst funktionierende Flugapparate“, sagte Kate und betrachtete ihn
nachdenklich. „Aber was hat das mit feiner Art zu tun?“
„Für die Valdannen ist das ’ne Schwäche, ’n Zeichen
für Minderwertigkeit. Für die Assyrer und Graicos ist die Linke außerdem
unanständig. Außerdem sehen sie in Orolo sowieso in allem, was irgendwie anders
ist, ein schlechtes Vorzeichen oder gleich das Werk von Dämonen.“
„Deine Freunde scheint es aber nicht zu stören.“
„Ich geb mir Mühe, es zu kaschieren. Und sie bemühen
sich um höfliches Drüberwegsehen.“
„Na, bei uns ist das in Ordnung. Zumindest in den
letzten Jahrzehnten. Inzwischen gibt es eine Menge Sachen, die extra für
Linkshänder ausgelegt sind – Scheren, Stifte, Geräte.“
„Ist nicht wahr!“
„Doch. Kleiner Ansporn für dich, möglichst schnell
einen Rückweg zu finden und mitzukommen!“
„Das ist doch nur wieder eine von deinen
Lügengeschichten.“
„Ist es nicht. Aber mir ist klar, dass meine
Glaubwürdigkeit aus guten Gründen angeschlagen ist. Mach einfach weiter. Ich
seh dir gern zu. Und ich will dieses Ding da fliegen sehen. Meiner Meinung nach
kriegst du das nie hoch.“
„Ich krieg es immer hoch“, antwortete er.
Und während sie lachte, lief er rot an.
Rot – das war seine Farbe. Sein Haar, das er bei der
Arbeit mit einem Band aus der Stirn hielt, hatte das tiefe, glänzende Rot von frisch
aus der Schale gefallenen Kastanien. Die Haut seines Gesichts, so blass wie
dünne Milch und matt, als sei sie porenlos, aus einem anderen Stoff als bei
anderen Menschen, rötete sich rasch und heftig, wenn man ihn in Verlegenheit
brachte. Wie so oft bei Rothaarigen erstreckte sich diese Blässe auch bei ihm
auf die Zähne – annähernd quadratische Zähne, in deren geraden, dichten Reihen
die Eckzähne, die er beim Lächeln zeigte, unerwartet spitz aussahen. Anders als
sein Gesicht, das er gegen die Sonne meist mit einem Hut beschattete, waren
seine Hände und Unterarme sonnenverbrannt. Ein beunruhigendes Sonnenbrandrot,
unter dem sich die Sommersprossen empört verdunkelten. Diese Sommersprossen
bedeckten seine Haut dicht an dicht, sie rieselten in seine Stirn, verschwanden
in den zarten, überraschend dunklen Wirbeln seiner Augenbrauen und im blassen
Rosa seiner Lippen, behaupteten sich zwischen den kupferroten Bartstoppeln und
den gleichfarbigen Härchen auf seinen Armen. Das waren nicht die drei, vier von
der Sonne hervorgelockten Punkte auf der Nase, die in ihrer Welt gerade als
niedlich galten – das hier war sozusagen eine eigene Spezies von Haut:
gescheckt, fremdartig, faszinierend. Sie hätte zu gern gewusst, ob sie überall an ihm so aussah.
Er warf ihr einen raschen Seitenblick zu. „Höflich ist
dieses Starren nicht!“
„Entschuldige.“
Sie waren schon seit einer Weile nicht mehr allein.
Die Kinderschar hatte sich auch hier eingefunden und langsam herangepirscht und
betrachtete nun neugierig den seltsamen Kasten, der unter den Händen des
Reparaturmanns entstand. Nach einer Reisewoche mit ihm hatte Kate begriffen,
dass der Sikkabit-Inglewing – die Kinder verwendeten das ganz ernsthaft als
seinen Namen – an der Deltastraße eine feste Einrichtung war. Bei der
Uhrenreparatur hatten sie ihm Werkzeuge angereicht und ihn über die Orte
ausgefragt, durch die er gefahren war, und über die Arbeiten, die er dort
verrichtet hatte. Von Vorurteilen gegenüber Linkshändern war bei den Kindern übrigens
nichts zu bemerken, obwohl die meisten von ihnen doch wohl zu den Graicos und
Assyrern gehörten und bestimmt nicht gerade zurückhaltend waren.
Ein besonders dreister kleiner Junge hatte es hinter
ihnen aufs Wagendach geschafft und rief etwas auf Graix zu seinen Kumpeln
hinunter. Seine Stimme war voller Begeisterung.
„Er findet die Aussicht auf den Fluss genauso toll
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