Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
Hakemi-Spruch. Mann, er brauchte noch mehr von
diesem Trukvister, unbedingt. Um den Blutgeruch aus der Nase zu bekommen. Und
die Stimmen. Und das Lied.
„Sie ist keine von euch, ja?“
„Sie kommt aus Kantabre.“
„Und sie hat einen Vater und einen Sohn zu versorgen?“
„Ihren Schwiegervater. Er hat bei einem Minenunfall
beide Beine verloren. Ihr Sohn ist fünf. Er ist da drüben – bei den anderen
Kindern.“
Die alte Frau sah zu den Kindern hinüber. Sandrou war
Zuschauer bei einem Murmelspiel, das Allem mit ein paar Jungen vom Gut zwischen
den Tischen spielte.
„Sie wollte nach Kebernett?“
„Eigentlich wollte sie weiter.“
„Fliehen, was? Ach, all diese Dummköpfe! Und dann auch
noch mit einem Schlepper … na, man sieht ja, was dabei herauskommt.“ Ihr Blick
kehrte zu James zurück. „Nun sag mir klar deine Meinung – deine Diagnose.
Schafft sie es bis Kebernett?“
„Nein.“
„Wäre geholfen, wenn ich sie hier aufnehme, bis sie
selbst weiterziehen kann?“
„Sie liegt im Sterben.“ Er sah den Chef entschuldigend
an. Vielleicht hätte er dem das besser zuerst gesagt.
„Ja. Das ist auch Bindoris Meinung. Also – ich biete
ihr und dem alten Mann eine Unterkunft hier, zum Sterben oder Genesen, wie es
die Zeit bringen mag. Dafür lasst ihr ihren Karren und den Gilloc hier.“
„Und der Junge?“
„Ich fürchte, um den kann sich hier keiner kümmern.
Wenn er ein paar Jahre älter wäre … Aber so hat der’s bei euch besser.“
Der Chef nickte ihm zu. „Der kann bei Lowell und Aruza
unterkommen. Ist im gleichen Alter wie Allem.“
„Dann wäre das geklärt, oder?“
War es das? Durfte so schnell und beiläufig über das
Schicksal von drei Leuten entschieden werden? Von Fremden noch dazu, und ohne
den Betroffenen irgendein Mitspracherecht einzuräumen? Racht, dachte er zynisch
und fühlte die Traurigkeit wieder aufsteigen, die schon den ganzen Abend –
eigentlich schon den ganzen Tag in ihm lauerte.
Aber der Chef bedankte sich bereits ausgiebig bei der
Alten. Er war damit schließlich ein paar Sorgen los. James wandte resigniert
den Blick von ihm. Kaploster, neben der Inglewing, starrte ihn an, schon die
ganze Zeit. Jetzt sagte er endlich etwas. „Eure Deichsel ist morgen früh
fertig. Da könnt ihr also vormittags noch los. Hab gehört, dass ihr’s eilig
habt.“
Damit war dann wohl alles geklärt. James fühlte, dass
seine Verabschiedung hier unmittelbar bevorstand. Die letzte Gelegenheit für
sein Anliegen. „Onska Inglewing, ich habe Ihren Enkel in Rhondaport getroffen
–“
„So!“, rief sie, augenblicklich aufmerksam, ob erfreut
oder nur interessiert, konnte er nicht erkennen. „In Rhondaport! Da hör ich
also doch mal wieder was von Dorian!“
Was schon einmal nicht sehr ermutigend klang.
„Also – erzähl mir von ihm!“, forderte sie. „Wo hast
du ihn getroffen? Was hatte er vor? Wie ging es ihm?“
Eigentlich hatte er ja die Fragen stellen wollen. „Er
war ziemlich beschäftigt, glaube ich. Besuchte den Schneider. Und dann die –
die Schule, dort hatte er –“
„Ha, an der Sally, da trifft er immer diesen
Professor, diesen nordträumenden Hampelmann!“
„Ja. Und dann abends war er beim Präfekten eingeladen,
zu einem Dinner, bei dem er –“
„Dorian?! Im Palast bei Michaelius?! Ach du meine
Güte. Wohin ein paar Abtritte einen Mann bringen können … na, ich wette, da
steckt wieder mal Merelle dahinter, das kleine Biest. Ein Dorian Inglewing aus
Halmyre war der ja nie gut genug. Für sie war das nur ein Ameisenfresserdorf im
tiefsten Hinterland. Die wollte ihn immer schleifen und in bessere Kreise bringen – natürlich, um ihn da für ihre Zwecke nutzen zu können. Als wenn der
Name Inglewing unter kultivierten Menschen nicht viel mehr zählen würde als der
dieser Autrejaunes mit ihren sauren Trauben und Pfirsichen da oben in
Maikonnen!“
Das drohte abzudriften. Und der Chef sah ihn schon
ganz argwöhnisch an.
„Was ich Sie fragen wollte – wissen Sie vielleicht,
was Dorian vorgehabt hat? Ich meine – rechnen Sie in nächster Zeit damit, dass
er Sie besucht?
Sie sah ihn verblüfft an und lächelte dann säuerlich.
„Bestimmt nicht. Ich hab keine Ahnung von Dorians Plänen! Seit er die Tür von
Merelles Haus hinter sich zugeschlagen hat, ist er sozusagen auf eure Seite
gewechselt. Soweit ich weiß, fährt er jetzt das ganze Jahr mit seinem komischen
Wagen durchs Delta und repariert Fernrohre und Uhren! Vermutlich betreibt
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