Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
einem Dudelsack. Kurze Besprechung mit den drei Montagu-Musikern, dann
legten sie los, und das laut und sehr schnell. Die Männer vor ihnen legten
ebenfalls los, begleitet vom Klatschen und den anfeuernden Rufen der am Tisch
Verbliebenen. Sie tanzten etwas, das in James’ Augen große Ähnlichkeit mit
einem irischen Tanz hatte: eine Menge anstrengende Beinarbeit bei stocksteif
angelegten Armen. Als die Tänzer zum ersten Mal Stirn gegen Stirn mit ihrem
Nebenmann knallten, wurde auch klar, woher der Tanz seinen Namen hatte. Jedes
Mal, wenn die Köpfe gegeneinanderschlugen, ging ein kollektives Stöhnen durch
das Publikum. Im Übrigen ging es offenbar darum, das so lange wie möglich
durchzuhalten und dabei immer komplizierteren Figuren zu folgen, die einer von
ihnen vorgab. Der erste Tanz dauerte sicher fünf Minuten, und als die Musiker
aufhörten, stürmten Firn und Juniper an den Tisch und schnappten sich wieder
die nächstbesten Sherviskrüge.
„Macht ihr das so lange, bis auch der letzte
ohnmächtig umkippt oder was?“, fragte Carmino, aber seine Augen brannten vor
unübersehbarer Gier mitzumachen.
„Rils McDonald – das war einer der berühmtesten
Nickelbreaker – soll sich dabei tatsächlich den Hals gebrochen haben!“, keuchte
ein anderer Mittänzer, den es ebenfalls an den Tisch zurückgetrieben hatte.
„In Wirklichkeit ist er aber einfach sturzbesoffen von
der Bühne gekracht!“
„Das ist das Problem mit Nickelbreak! Keiner würd ihn
tanzen ohne ordentlich Shervis intus – aber wenn du zu viel intus hast, dann
brichst du dir wirklich den Hals!“
„He, kommt einfach mit, Carmino, James! Zeigt mal, was
man im Süden so draufhat!“
„Kann man da denn einfach mitmachen?“
„Klar.“
„Vergiss es“, sagte James.
„Komm schon, ragoscheli !“, rief Firn.
„Neckabreak kann jeder tanzen – mach’s einfach nach. Gibt kaum was Besseres als
’nen guten Neckabreak, um nach ’nem langen Tag wieder munter zu werden!“
Aber einmal an diesem Tag tat das Schicksal oder auch
Racht – wer wusste das schon – ihm einen Gefallen und bewahrte ihn davor, sich
mit den anderen Idioten zum Affen machen zu müssen. Es kam in Gestalt eines
kleinen Jungen an ihren Tisch. „Bist du der Hakemi von den Peregrini-Leuten?“,
fragte er, gerade als die angeheiterten jukannai ihn mit nach vorne
schleifen wollten.
„Ja!“
„Dann sollst du nämlich zum Herrentisch kommen. Da
drüben hin!“
„Was? Wieso?“
„Woher soll ich das wissen? Die Herrin will dich da
sehen. Beeil dich lieber!“
Eigentlich war das ja nun genau die Gelegenheit, die
er brauchte. Dummerweise hatte er schon ein paar Schluck Trukvister zu viel
gehabt, aber das ließ sich nun nicht ändern. Während die anderen andeuteten,
dass er sich nur vor dem Nackenbruch drücken wollte, schob er sich durch das
Gewühl hindurch zum Tisch der Herrschaften. Die Musik und die stampfenden
Schritte der Tänzer legten gerade wieder los, als er in den Kerzenschein des
Tisches eintauchte und vor der Hausherrin stehenblieb.
„Das ist wohl der jüngste Hakemi, den ich je gesehen
habe!“, sagte Oona Inglewing anstelle einer Begrüßung. „Setz dich zu uns.“
Das tat er und fühlte dabei die drängende
Aufmerksamkeit, mit der ihn der Chef ansah – benimm dich! , bedeutete
dieser Blick, mach mir keine Schande! Die Hunde des Verwalters, die um
seinen Stuhl gelegen hatten, waren aufgestanden und strichen nun lautlos um
James herum, dicht, doch ohne ihn zu berühren. Jetzt, im Sitzen, war sein Hals
ungefähr auf der Höhe ihrer Schnauzen. Kein ganz angenehmes Gefühl.
„Hamis Bindori hat mir eben Bericht erstattet. Sag
mir, was diese Frau braucht! Womit kann man ihr helfen?“
Für den Anfang mit einem Bett auf der Intensivstation,
dachte James. Ein paar Blutkonserven und ein guter Chirurg wären auch nicht
schlecht.
Schmale, scharfblickende Augen sahen ihn an. Sie hatte
ein kantiges Gesicht unter diesem weißen Kraushaar und eine furchteinflößende
Entschlossenheit um den Mund. Und sie war gar nicht so gebräunt, wie es sein
erster Eindruck gewesen war. Sie hatte nur so viele Sommersprossen, dass sie
eine nahezu geschlossene Schicht bildeten. Das war ganz sicher Dorian
Inglewings Großmutter.
„Das Beste für sie wäre Ruhe. Sie sollte nicht weiter
im Wagen durchgerüttelt werden. Ein Mittel zur Stärkung. Etwas gegen die
Schmerzen. Den Rest – da kann nur die Zeit helfen.“ Hatte er doch gut gesagt.
Klang nach einem richtig guten
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