Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
„Aber ’n Spaß ist das nicht.
Siehst dann alles so, wie sie es sieht, verstehst du. Alles in diesen
Purpurtönen … komische Formen, die schneiden einem richtig ins Hirn. Ja, die
sehn anders als wir. Das meinte ich vorhin mit dem Vampirtest. Mit ihren Augen
kann ich das erkennen. Du bist kein Vampir. Auch kein Spiegler.“
„Spiegler?“
„Ein Dämon, der an dir vorbeigeht und dich spiegelt.
Komplett. Er wird ein zweites Du, kapierst du? Dann rennen zwei von dir da
draußen rum, und du weißt selbst nicht, ob du der Echte bist. Kommt manchmal
vor.“
James lachte, und das tat gut. Das hier war so ein
Quatsch, so ein offenkundiger Quatsch, dass es die Welt wieder zurechtrückte,
die eben einen Drall bekommen hatte.
„Lustig ist das nicht. Aber lach nur, hast es wohl
nötig. Irgendwas stimmt nicht mit dir, so viel hab ich gemerkt. Du träumst
seltsam, sagst du. Hörst du auch – äh, Stimmen? Melodien?“
„Nein.“ James grinste immer noch. Vielleicht war er doch tot und in irgendeiner bizarren Zwischenwelt gelandet. Oder er lag im Koma und
träumte. Aber etwas Tröstliches hatte er immerhin gerade entdeckt in den
düsteren Tiefen dieses Schuppens: Dahinten warfen sie Darts. Die Scheibe sah
anders aus, aber es waren eindeutig Darts.
„Wirklich nicht, Hakemi? Ich hätt wetten können, dass
da was ist.“
„Also, da ist –“ Wollte er jetzt wirklich über diese
Sache reden? Womöglich etwas wieder aufwecken? Wo er sich gerade wieder besser
fühlte?
„Ja?“
„Ein – ein Hüpfreim.“
„Ah – was denn? Sitzen siebzehn Zwiebelmützen ? Treppenstufen
schlafen nie ? Oder Kleine Bartelmännchen ?“
„Irgend so was, ja.“ War das bescheuert!
„Vielleicht hat sie dir das nur ins Ohr gesetzt. Das
muss nicht heißen, dass sie in deinem Kopf ist.“
„Wie kommst du eigentlich wieder frei, wenn du dich an
den Baum gekettet hast?“
„Du bist ganz schön misstrauisch, was?“ Der Jäger
seufzte. „Solange sie die Führung hat, rühren meine Hände nichts an, was aus
Fängergarn ist. Das kriegt sie einfach nicht über sich. Und meine Taue und
Fesseln hast du ja gesehen – beste Garnqualität aus Fendurnen! Wenn sie die
Schnauze dann voll hat und sich in ihren Schmollwinkel zurück verzieht, mach
ich die Knoten und Schlösser einfach wieder auf.“
„Gibt’s bei euch denn keine – keine Exorzisten oder so
was, Leute, die sich auf Dämonen-Austreibung verstehen? Oder warum findest du
dich mit so was jahrelang ab?“
„Wer sagt, dass ich mich abfinde, Hakemi? Ich rüste
mich seit Jahren für den finalen Kampf mit der Schlampe! Ich will nur sicher
sein, dass sie dabei den Kürzeren zieht, verstehst du. Das erfordert eben
Vorbereitung –“ Er strich bedächtig über seine Handgelenke, die, wie James
jetzt erst sah, eine Menge wulstiger Narbenstriemen aufwiesen. „Und was das
andere angeht – klar könnt ich zu einem Austreiber gehen. Davon ziehn ja genug
durchs Land – seid ihr noch keinem begegnet? Na, wenn, dann wüsstest du, warum
ich’s nicht tu. Erst nehmen die dich aus bis auf den letzten Chaval, und dann
überlebst du die Behandlung nicht mal. Ich hab schon arme Schweine gesehn, die
haben sich von so ’nem Austreiber an Balken und Wände nageln lassen. Sind
verblutet, natürlich. Nee, nicht für Charles Oswend Gerringer den Vierten!
Vielleicht, wenn du zu einem Wolkensammler gehst, zu einem richtigen, meine
ich, im Norden – hab gehört, dass die sich auf so was verstehen. Aber die
Austreiber hier sind nix als Halsabschneider. Lass da bloß die Finger von!“
„Ganz bestimmt.“
Es reichte, er konnte dieses Gespräch nicht länger mit
Humor nehmen. Und das Trommel-Fortissimo im Hintergrund machte sowieso jede
weitere Verständigung unmöglich. Der Chef lief schon bläulich an, während er
einen endlosen Ton aus dem Dudelsack quälte, und Firn trommelte dazu eine ganze
Sinfonie, die die Becher auf den Tischen erzittern ließ. Die Männer feuerten
ihn an, einige versuchten mitzuklatschen.
James leerte seinen Becher und stand auf. „Ich seh mir
das dahinten mal an.“
Gerringer hob die Hand wie zum Gruß und nickte.
Es war eine Dartscheibe, auch wenn sie quadratisch und
in andere Segmente aufgeteilt war – klar, dachte James, die haben ja hier was
gegen die spitzen Winkel.
Um das Bull’s Eye in der Mitte waren hier drei
Quadrate gelegt, eins immer größer als das nächstinnere, das Ganze durch
kreuzende grüne Linien wiederum in fünfundzwanzig kleinere Quadrate
Weitere Kostenlose Bücher