Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
Du musst
einen Schutz haben, da hat eure Jakobe Recht.“
„Was sollte das sein? Wenn ich selbst nichts davon
weiß?“
„Hm – ich hab die halbe Nacht und den halben Tag über
die Sache nachgedacht. Sogar in ein, zwei Büchern nachgeschlagen. Also, könnte
es sein, dass du ’ne größere Menge Gold an dir hast? Angeblich hilft ’ne Salbe
mit einer kräftigen Portion Gold darin – wusste ich auch nicht, hab’s erst
letzte Nacht gelesen.“
„Bestimmt nicht. ’ne Menge Dreck schon eher.“
„Kleidung mit Goldfäden vielleicht?“
„Seh ich so aus?“
„Dann bleibt noch Unterzeug aus Fängergarn – was
Quatsch ist, denn das trag ich selbst, und die Hewla fühlt sich trotzdem wohl.
Aber der Leitfaden listet es als möglichen Schutz auf, deshalb erwähne ich es.“
„Nein.“
„Besondere Amulette? Irgendeine exotische Frucht oder
Wurzel vielleicht? Etwas aus echtem Brogorzahn oder sogar Brogorhaut?“
„Nein. Nichts davon!“
„Siehst mir auch nicht so aus, als hättest du das Geld
dafür. Euer Dicker da, der denkt auch, er hätt ’nen Brogorzahn um den Hals,
richtig? Sag’s ihm lieber nicht, er sieht ein bisschen reizbar aus – aber ich
verwette meinen Ar-, eine Hand drauf, dass es ein Tigerzahn aus Golumpran ist.
Wenn überhaupt.“ Gerringer nahm ein Tuch aus seiner Tasche und wischte den Rand
seines Bechers ab – auch hierher hatte er seinen eigenen mitgenommen. Dann
trank er skeptisch. „Was für eine Eselspisse. Aber was anderes kriegt man hier
nicht. Schmeckt, als würden sie’s aus Mist brauen, was?“
Von dem Bauch mal abgesehen, war der Jäger weniger
fett als vierschrötig und untersetzt. Breite Schultern hatte er und kräftige,
sommersprossige Hände. Auf der Linken entdeckte James eine Tätowierung, die an
ein Schriftzeichen erinnerte, und am kleinen Finger einen klobigen Ring, in
dessen schwarzen Stein ein verschlungenes Symbol und die Zahl 10 eingraviert
waren. Den Hut hatte er vor sich auf den Tisch gelegt, die lange Lederjacke
über der Brust geöffnet – es war stickig hier. Darunter lag auf einem weißen
Hemd oder T-Shirt – vielleicht das Unterhemd aus Fängergarn – eine Kette aus
Dingern, die wie rundliche Zähne wirkten, bis man genauer hinsah. Dann erkannte
man winzige Schädel. So kleine Knochenschädel konnte es in der Natur gar nicht
geben. Zumindest nicht in der Natur, die er kannte. Bei dem Gelichter hier
wusste man natürlich nie.
„Karnellen sind das“, erklärte der Jäger, als er
James’ Blick bemerkte. „Unglaublich bissiges Viehzeug, sag ich dir. In
Kebernett die reine Pest. Sie lieben den Regen, und in Kebernett regnet’s
ständig. Verderben jede Vorratskammer. Fressen alles an, kacken dir ins Mehl.
Kannst dein Leben damit verbringen, in der Stadt Karnellen-Nester
auszuräuchern.“
„Und die Kette ist ein Schutz? Was zur Abwehr?“
„Man kann nie wissen. Vielleicht schreckt’s irgendein
Biest ab. Ich geh gern auf Nummer sicher. Ah, da legen deine Leute wieder los!“
Selbst die Trommel klang noch zu laut in der
überfüllten Bude, und der Dudelsack quäkte, bis man glaubte, sein Hirn vor Pein
einschrumpfen zu fühlen, aber den Gästen machte es offenbar Laune. Auch Gerringer
sah gleich entspannter aus.
„Dann bleibt das Rätsel ungelöst?“, fragte James laut
über den Krach hinweg.
„Keine Ahnung. Hab schon erwogen, ob du vielleicht ein
Vampir bist, aber das bist du nicht. Hab’s getestet.“
„Ah ja“, sagte James schwach. „Deshalb die
Knoblauchpaste gestern?“
„Nee, wieso? Knoblauch gegen Vampire? Nein, aber ich
kann so was sehen. Frag lieber nicht. Gibt sowieso nicht viele von denen. Noch
’ne Möglichkeit: Du bist tot. Aber auch das wär inzwischen aufgefallen.“
James lachte. „Ja, mir auch.“ Wirklich?, fragte er
sich dann alarmiert.
„Aber damit bin ich so ziemlich am Ende der Liste“,
sagte Gerringer. „Überleg noch mal. Du bist immerhin ’n Hakemi. Vielleicht
gibt’s da ja doch irgendwas, woran du jetzt bloß nicht denkst? Und was wolltest
du mich noch fragen?“
James hatte am Nachmittag lange überlegt, wie er die
Sache zur Sprache bringen könnte. „Ist mir ein bisschen unangenehm. Ich würd
gern was wegen dieser Hewla fragen.“
„Muss dir nicht unangenehm sein. Ich leb seit fünf
Jahren mit der, wie gesagt. Die Schlampe und ich, wir sind unzertrennlich!
Meine Arbeit, meine Ehe und meine Ehre sind draufgegangen wegen der – was soll
mir da noch peinlich sein?“
„Wie hast du’s gemerkt
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