Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
der Gedanke nicht verrückt?“
„Ich denke nicht darüber nach. Ich geh einfach weiter
und seh mir alles an.“
Und wie machte man das? Er setzte sich neben sie auf
die Barriere, und dann sahen sie minutenlang schweigend zu, wie Firn seine
Messer mit der gewohnten arroganten Präzision warf.
„Trifft er denn immer?“, fragte Kate schließlich
fasziniert.
Firns Worte zum Thema Treffsicherheit und Frauen
fielen ihm ein, und er verbiss sich ein Grinsen. „Sollte er besser. Bei der
Vorstellung wirft er auf Menschen. Um sie herum, genauer gesagt. Und rückwärts,
und manchmal sogar mit verbundenen Augen. Hast du wirklich gar nichts entdeckt,
keinen Hinweis darauf, wo wir sind? Irgendwas Vertrautes – Radios – Telefone –
Autos – irgendwas ?“
„Wir sind in Salkurning. In der Welt jenseits des
Ozeans.“
Firn zog seine Messer aus der Scheibe – mit der
vorsichtig rüttelnden Bewegung, die er seinem neuen Schüler eben eingeschärft
hatte – und fing wieder von vorne an, warf diesmal ein anderes Muster. Wenn man
ihn von der Seite sah, war wirklich eine Ähnlichkeit mit Adrian vorhanden.
„Bist du hier schon mal jemandem begegnet, der dir
bekannt vorkam? Den du kanntest – von drüben?“, fragte er.
„Nein. Aber du, ja?“
„Na ja – es ist verrückt, aber was an der Sache ist
schon nicht verrückt. Hier ist ein Mädchen – ich hab sie erst gesehen, als wir
schon ein paar Tage unterwegs waren, weil ihre Mutter sie quasi unter
Verschluss hält im Wagen – das ist doch schon verdächtig, findest du nicht?
Jedenfalls, ich wusste sofort, dass ich sie schon mal gesehen hatte.“ Es war
mehr gewesen als das. Er hatte Orla nicht nur wiedererkannt wie jemanden, dem
man schon einmal über den Weg gelaufen ist. Sie war ihm vertraut .
„Ja, das ist seltsam“, meinte Kate, als er nicht
weiterredete. „Und du bist sicher, dass du sie von drüben kennst?“
„Mir fällt nicht ein, woher. Aber sie kennt mich
auch!“
„Was? Aber dann erinnert sie sich doch vielleicht!
Hast du mit ihr darüber gesprochen?“
„Sie – sie ist stumm. Äh, nicht richtig stumm, aber
sie spricht nicht. Die anderen denken, sie ist stumm. Aber mit mir hat sie
geredet – ein paar Sätze. Ich meine, sie ist – äh, sie nennen das hier padauni .
Das bedeutet wohl so was wie – beeinträchtigt. Nicht nur im körperlichen Sinn.“
„Zurückgeblieben?“
„N-nein. Eher – anders .“
„Ist sie hier irgendwo?“
„In dem violetten Wagen da drüben. Da ist auch Pix
untergekommen. Orla darf so gut wie nie raus, und wenn, dann nur in Begleitung.
Es ist schwer, mit ihr zu sprechen. Sie wird in ein paar Wochen verheiratet,
verstehst du, und ihre Mutter hat Panik, dass sie – na ja, dass sie irgendeinen
Unsinn macht. Ist total ausgerastet, als sie Orla mit mir gesehen hat.“
Kates forschender Blick war ihm nicht angenehm. „Was
hat diese Orla denn zu dir gesagt?“
„Sie wusste, wie ich heiße – gut, das könnte sie von
den anderen gehört haben, aber –“ Er stockte. Mehr als seinen Namen hatte sie
bei ihrer ersten Begegnung gar nicht gesagt. Erst im Apfelgarten auf dem
Inglewing-Gut. Während es um sie herum Gelichter schneite. „Dass sie auf mich
gewartet hat. Sie wollte mir was sagen, aber sie hatte vergessen, was. Weil
irgendwas – anders war, als sie dachte.“
„Unheimlich“, meinte Kate. „Vor allem, wenn du sicher
bist, dass du sie auch kennst.“
Dann versank sie in Schweigen, und er grübelte wieder
über Orla nach. Firn warf jetzt abwechselnd mit beiden Händen und in einem
genauen Rhythmus. Man hörte, wie sich die Messer in der Luft überschlugen, und
dann das harte Plock , wenn sie im Holz einschlugen. Die genau
kalkulierte Wucht, mit der das geschah, hatte etwas sehr Befriedigendes, das
James vom Dartwerfen her vertraut war.
„Hast du schon mal überlegt, dass du aus einem
bestimmten Grund hier sein könntest?“, riss Kate ihn plötzlich aus seinen immer
schläfrigeren Gedanken.
„Du meinst … um Orla zurückzubringen oder so was?
Klingt ein bisschen zu sehr nach Fantasy-Film, finde ich.“
„Ich weiß nicht … könnte es sein, dass du schon mal
hier warst? Dass du diesen Übergang kanntest – wusstest, wie man ihn öffnet?“
„Was soll denn der Quatsch? Ich hab nicht die
blasseste Ahnung, was hier überhaupt los ist! Ich bin – total durcheinander.
Desorientiert. Ich bin mir nicht mal sicher, ob du nicht gerade ’ne Figur aus
’ner Halluzination von mir bist!“
Sie
Weitere Kostenlose Bücher