Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
zweieinhalb Meter.“
„Machst du Witze?“ Firn, der mit dem Absatz eine Linie
in den Staub zog, sah sich spöttisch zu ihm um.
„Nein. Das ist die optimale Entfernung für die Pfeile,
mit denen man bei uns spielt.“
„Na gut. Dann musst du dich umstellen. Mit den Messern
fang ich bei drei Metern erst an.“
„Hab ich bemerkt.“
Firn suchte ein Messer aus dem Kasten aus. Die nächste
Viertelstunde verbrachte er damit, ihm zu erklären, wie er es fassen, den Arm
halten und das Ziel anvisieren sollte. Seine ersten Versuche waren nicht gerade
glänzend, aber auch nicht total schlecht. Immerhin traf er meistens die
Scheibe, aber mit seiner Technik war Firn nicht zufrieden. Die Messer waren
deutlich schwerer als Dartpfeile und wurden ganz anders geworfen. Nach einer
Weile fing seine Hand an zu verkrampfen, und sein Wurfarm wurde lahm.
Der Unterricht erregte die träge Aufmerksamkeit der
Umsitzenden, es gab Applaus für Firns immer treffsichere Würfe und schließlich
Gelächter, als James einmal völlig danebenwarf.
„Kümmer dich nicht um die Kramper. Die kassier ich
nachher ab“, meinte Firn. „Kennst du übrigens die da? Dahinten auf der
Holzbarriere, mit dem spitzen Hut? Die starrt dich die ganze Zeit an.“
Er warf einen widerwilligen Blick zu den Zuschauern
hinüber – auf Publikum hätte er bei seinen ersten Versuchen gut verzichten
können – und stutzte. „Das ist ja Kate! Was macht die denn hier?“
„Wer weiß. Frag sie.“ Firn nahm ihm das Messer aus der
Hand. „Wir machen morgen weiter. Sonst wirfst du noch einen von diesen kupadannai hier ab, und der Chef regt sich wieder auf.“
„Danke für den Unterricht. Tut mir leid, dass ich
heute nicht in Form war.“
„Dein Glück, dass ich gestern gesehen habe, dass du’s
besser kannst. Sonst würd ich meine Zeit nicht weiter an dich verschwenden.
Werd mich jetzt selbst noch ein bisschen einwerfen.“ Für den Anfang warf er
seinen Hut, und zwar in Richtung der Bänke, sodass der Zweck für die dort
Sitzenden unmissverständlich war.
James ging mit einem zwiespältigen Gefühl zu Kate
hinüber. Die Frau, die ihn im Irrgarten nach der Uhrzeit gefragt hatte, vor
einer Ewigkeit, in einer anderen Welt, hockte da wie ein Vogel auf der Stange. Ihr
Anblick löste dasselbe zwiespältige Gefühl in ihm aus wie vorhin Dorians
Erscheinen. Er wusste, was er instinktiv am ehesten zu den beiden gesagt hätte:
Lasst mich in Ruhe! Ich fange gerade an, mich abzufinden … stört mich nicht
dabei!
„Hallo, James! Hast du eine Hungerkur gemacht?“
„Hast du irgendwem die Klamotten geklaut?“ Er stützte
die Arme auf den Holzbalken, auf dem sie saß. „Hi, Kate. Hätte nicht gedacht,
dass wir uns wiedersehen.“
„Wir haben euch die ganze Zeit gesucht.“
James seufzte tief, streckte sich und schüttelte die
verkrampften Finger aus.
„Carmino hat schon gesagt, dass du jetzt hier der Arzt
bist“, sagte sie und betrachtete ihn von der Seite. „Aber nicht, dass du das
Messerwerfen lernst.“
„Ich brauch dringend ein zweites Standbein, was das
Geldverdienen angeht“, erklärte er und gähnte.
„Wer ist er? Er sieht toll aus. Bewegt sich wie ein
Tänzer.“
„Was? Wer?“ Er konnte einfach nicht aufhören zu
gähnen.
„Dein Lehrer. Der Messerwerfer. Er hat Augen wie ein
Wolf. Und sehr attraktive Arme.“
Er sah sie verblüfft an und lachte dann. „Klar. Wie
konnte ich das vergessen. Firn und die Frauen – dem fällt anscheinend jede zum
Opfer. Aber bevor du dich da engagierst – er hat ein festes Verhältnis mit
einer vierzigjährigen Witwe hier in der Truppe. Nimmt allerdings auch gern mal
’n Appetithappen mit.“
„Na, das klingt doch ermutigend.“
„Ich kann nicht glauben, dass wir so eine Unterhaltung
führen. Hier. Und jetzt. Nach allem, was vorgefallen ist.“
„Was ist denn alles vorgefallen?“, fragte sie
neugierig.
„Herrgott. Wir sind – ich weiß nicht wo gelandet!
Würde das nicht schon ausreichen?“ Er hatte überhaupt keine Lust, ihr von all
den bizarren Erlebnissen der letzten Tage zu erzählen. Viel zu anstrengend.
„Hast du inzwischen irgendwas rausgekriegt darüber, wo wir sein könnten? Ich
meine, es kann doch nicht wirklich … nicht wirklich – ähm, außerhalb –“ Auch
das wollte eigentlich nicht mal aussprechen.
„Ich weiß es nicht. Aber Dorian ist ziemlich
glaubwürdig, fürchte ich. Was bedeuten würde, dass wir tatsächlich außerhalb sind.“
„Und?“
„Was und?“
„Macht dich
Weitere Kostenlose Bücher