Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
hinüberfahren wollte, habe ich mir
auf Magaporr schließlich ein Boot geliehen und bin selbst nach Magaton
gerudert. Kurz vor der Landung traf ich auf drei assyrische Kollegen, darunter
der erwähnte Kassad, die gerade von der Insel kamen. Sie waren höchst
aufgeregt, hatten einen ihrer Leute bewusstlos gefunden und eben noch ins Boot
retten können – giftiges Gas sammelt sich wie ein Nebel überall in den
Niederungen der Insel. Der Tosu stößt es aus, und es sinkt herab und erstickt
alles Lebendige. Sie rieten mir dringend davon ab, den Fuß auf die Insel zu
setzen, noch dazu allein. Am Ende beschloss ich, das Wagnis eines Tauchgangs
auf mich zu nehmen. Meine Kollegen wollten so lange an der Oberfläche auf mich
warten.“
„Barmherzige Larenni, Sie sind tatsächlich da getaucht ?“,
fragte Oswiu beeindruckt. „Ich habe gehört, das Wasser dort soll so heiß sein
wie in einem Suppentopf!“
„Nun, ganz so schlimm war es nicht, aber es ist
tatsächlich an vielen Stellen um die Insel stark erwärmt, und man muss schon
wissen, welche Orte man unbedingt meiden sollte. Der Grund für diese
Überhitzung ist ja nicht allein der Tosu. Der Tosu ist nur die höchste Erhebung
eines ganzen unterseeischen Gebirges, das überall Risse und Spalten aufweist.
Aus diesen tritt in unberechenbaren Abständen immer wieder heißes Gas aus. Das
ist es, was dazu führt, dass in einem weiten Umkreis dort nichts mehr lebt. Bei
meinem Tauchgang habe ich dann an den unterseeischen Gipfeln gesehen, was die
assyrischen Kollegen auch über den Tosu selbst berichteten.“ Autrejaune machte
eine Kunstpause. „Wenn man es von oben betrachtet, dann erkennt man, dass durch
die Risse allmählich so etwas wie Deckel auf diesen Bergkuppen entstehen, die
tatsächlich an den Deckel auf einem brodelnden Suppentopf erinnern. Die Assyrer
sind zu denselben Schlüssen gekommen wie ich: Es kann sich nur noch um wenige
Monate handeln, bis das alles hochgeht.“
Dorian zerstörte die von Autrejaune beabsichtigte
atemlose Stille, indem er herausplatzte: „Aber ist sich die Gelehrtenwelt nicht
darüber einig, dass man den Zeitpunkt eines Vulkanausbruchs unmöglich
vorhersagen kann? In vielen Fällen verstummt der Berg sogar einfach wieder!“
Hochgezogene Augenbrauen und überraschte Blicke
quittierten diesen Beitrag. Dann sagte Autrejaune: „Die Wissenschaft entwickelt
sich, Inglewing. Sie wächst, verändert sich ständig. Ich dachte nicht, dass man
das dir erklären müsste.“
„Ein paar Monate? Haben die Assos das berechnet? Also,
ich wette, die haben da auch wieder nur irgendein geheimes altes Buch mit
obskuren Vorhersagen in der Hinterhand!“
„Sie haben den Tosu seit dem letzten Ausbruch vor fünfhundert
Jahren nicht aus den Augen gelassen und verfügen deshalb über umfassende und
präzise Aufzeichnungen, aus denen sich Prognosen berechnen lassen und –“
„Obskure Vorhersagen – ich sag’s ja“, meinte Oswiu.
„Da wir nun schon so weit gekommen sind, lassen Sie
mich auch noch zu dem Teil kommen, der für uns von größter Bedeutung ist“, fuhr
Autrejaune fort und versuchte, seinen bedeutungsschweren, aber umgänglichen Ton
beizubehalten. „Um es kurz zu machen: Der Tosu wird ausbrechen, daran kann kein
Zweifel bestehen. Aber die Berechnungen der Assyrer – und meine eigenen
Beobachtungen – führen allesamt zu demselben Ergebnis: Die Wucht des Ausbruchs
wird den Süden treffen, die Inselwelt in seiner Umgebung sicherlich verheeren, aber Salkurning ist sicher! Selbst die größte zu erwartende Flutwelle hat sich zu
einem Schwappen abgeschwächt, bevor sie die Küsten Salkurnings erreicht.“ Er
sah sich in der Runde um, zufrieden, als habe er eigenhändig dafür gesorgt,
dass in seiner Heimat niemand zu Schaden kommen würde durch diesen Vulkan.
„Und das kann man so genau berechnen?“, erkundigte
sich Liripine unsicher. „Abgesehen davon, was ist mit der Asche – soll nicht
von der Asche die größte Gefahr ausgehen? ‚ Und wie mit Asche wird es die
grünenden Lande überziehen, und alles wird schwarz und dorr werden und keine
Frucht mehr tragen auf ewig …’ so steht es in dieser fürchterlichen Liste!
Ich musste das in den letzten Wochen wieder und wieder in allen Zeitungen
lesen!“
„Also, wir sprechen hier doch von einer Insel im
Süden, tausende von Meilen weit entfernt im Ozean“, sagte der Präfekt von Orolo
und bedachte Liripine mit einem verächtlichen Blick. „Die Leute im Süden, na
gut, die wird es
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