Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
euch
jetzt.“
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Da
kam sie, die Krönung dieses Menüs: ein ganzes, am Stück gebratenes
Brackwasserschwein, vom Gastgeber selbst in den Schilfsümpfen im Osten des
Deltas erlegt. Zwei Diener waren nötig, um es auf einer riesigen Platte
hereinzutragen, obwohl es sich, wie Michaelius beteuerte, um ein Jungtier
handelte. Dazu wurden zu Oswius Entzücken echte Süßkartoffeln und Buttersoße
gereicht.
„Hast du immer noch diese Graico-Köchin, diese Athinia
oder wie sie gleich hieß?“, fragte der Präfekt von Orolo, während die Diener
das Prachtstück zerlegten.
„Agapia, meinst du … ja, ohne die wäre das Leben hier
nur die Hälfte wert!“
„Es ist ein furchtbarer Gedanke, dass all das hier
vielleicht dem Untergang geweiht ist!“, brachte Liripine hervor. Er war immer
noch leichenblass und betupfte seine Lippen mit der Serviette. „Wie könnt ihr
essen, nachdem wir solche Neuigkeiten gehört haben?“
Auch Dorian, im Allgemeinen nicht gerade ein
Kostverächter, hatte im Moment keinen besonderen Appetit auf das Brackschwein,
auch wenn es knusprig aussah und verführerisch duftete. Es war nicht der
Bericht über den Vulkan, der ihm den Appetit raubte – über den hatte er in den
vergangenen Monaten schon genug von assyrischen Freunden gehört, die wiederum
von Familienangehörigen und Freunden aus dem Süden Neues erfuhren. Aber seit
der Name Emberlend gefallen war, hatte ihn die Nervosität wieder fest im Griff.
Larkishs seltsames Gerede, dass sich seine Zukunft heute entscheiden würde,
hier an dieser Tafel – konnte das mit Emberlend zusammenhängen?
„Die Brackschweine werden ein bisschen Asche schon
überleben“, meinte Michaelius munter. „Lass uns nicht länger vom Untergang
sprechen, Sebastian. Falls es wirklich hart auf hart kommen sollte im Delta,
dann haben wir sogar einen Notfallplan. Und jetzt greift zu!“
„Notfallplan? Jetzt machst du uns aber verdammt
neugierig, Johann“, sagte Oswiu und ließ sich eine riesige, fleischige Keule
vorlegen.
„Ja, die Nordträumer haben da ein paar Vorschläge –“
„Die Nordträumer, ach du Grundgütige!“, grummelte
Oswiu und warf einen schiefen Blick zu Larkish hin. „Gehörst du jetzt etwa auch
zu denen?“
„Nun ja, ihre Ideen sind doch bedenkenswert.“
„Ja … ja. Trotzdem … ich mag die Burschen einfach
nicht. Nichts für ungut, Autrejaune, ich weiß Pioniergeist und einen echten
Abenteurer wie Sie zu schätzen, aber –“
Bevor er sich noch zu wirklich beleidigenden
Äußerungen versteigen konnte, fiel Autrejaune ihm ins Wort. Dorian hatte
beobachtet, wie er während der ständigen Unterbrechungen immer ungeduldiger
geworden war. Es war klar, dass er jetzt endlich mit den Errungenschaften
seines Vereins loslegen wollte.
„Sollte es in den südlichen Präfekturen tatsächlich zu
einer Notlage kommen, dann bestünde die Möglichkeit, die Einwohner zu
evakuieren und an einem anderen Ort unterzubringen –“
„Nicht in Orolo, mein Junge, so viel kann ich Ihnen
schon sagen! Bei uns wächst kaum genug, dass unsere eigenen Leute davon satt
werden!“
„Nein, Orolo ist nicht das Ziel – aber wo Sie gerade
von der Versorgungssituation in Ihrem Land sprechen … vielleicht haben wir
Pläne, die auch für Sie von Interesse sein könnten!“
„Lassen Sie hören!“
„Es gibt Möglichkeiten, auch in den kargsten Gegenden
zu überleben“, sagte Larkish. „Wenn wir uns an dem Vorbild orientieren, das uns
die Naturvölker bieten, unverdorbene, genügsame Menschen, die –“
„ Kashadiu , wollen Sie uns jetzt etwa wirklich
mit dieser Langorren-Fabelei der Nordträumer kommen, Larkish? Das ist nämlich
genau der Quatsch, den ich an euch nicht leiden kann: euer romantisches Gefasel
von Naturmenschen und ihren Vorzügen. In Tulsa zum Beispiel kann ich mehr als
genug menschliche Natur sehen. Und nur weil die Langorren im Eis baden und
rohen Fisch fressen, sind sie noch keine besseren Menschen, das ist meine
Meinung dazu!“
„Hier geht es doch nicht um Moral, Präfekt Oswiu,
sondern um ganz praktische Gesichtspunkte. Die Stämme leben in verzweigten
Höhlensystemen, sogenannten Vigdals –“
„Ach – und ich dachte, sie sind Nomaden und ziehen da
oben durch den Schnee, immer den Hakri-Herden nach!“
„Im Sommer tun sie das auch. Im Winter aber, während
der monatelangen Polarnacht, leben sie in den Vigdals, teils in den Klippen der
Ostküste, vor allem aber im Kailong-Gebirge, das sich vom nördlichen
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