Formbar. Begabt
Blicken. Sie sind sehr nett, keine Frage. Vielleicht ein schwules Pärchen, das Zeit für sich braucht? Dann hätten sie sich uns aber nicht bei der ersten Gelegenheit angeschlossen, oder? Außerdem würde das offenkundige Interesse, dass Lucas Laro entgegenbringt, keineswegs ins Konzept passen. Möglicherweise waren sie unterwegs, um Mädchen aufzureißen? Da gibt es aber defintiv bessere Plätze als eine wenig frequentierte Campinganlage.
Wie ich es auch drehe und wende; die Anwesenheit der beiden ergibt in meinen Augen keinen Sinn. Jasmin, Laro und Viv scheint herzlich egal zu sein, welche Beweggründe unsere Besucher haben. Sie freuen sich über die unverhoffte Gesellschaft.
Die Stimmung wird immer ausgelassener und nach kurzer Zeit haben wir die erste Flasche Rotwein geleert, die ich mit einem Tritt aus dem Kreis befördere. Marius verfolgt die Bewegung mit den Augen. »Da wir jetzt schon eine leere Flasche haben: Wie wäre es mit einem kleinen Partyspiel?«
Ich stöhne leise auf. Nicht schon wieder. Beim letzten Mal verlief das blöde Spiel alles andere als episch.
Im Gegensatz zu mir nimmt der Rest der fröhlichen Truppe den Vorschlag jedoch mit Begeisterung auf. Marius bedenkt mich mit einem entschuldigenden Lächeln und angelt nach der Flasche. Ich zucke ergeben mit den Schultern, lehne mich zurück und stütze mich auf die Handflächen. Immerhin spielen wir nicht die »Wahrheit oder Wahrheit«-Variante, sondern eine etwas kreativere Version. Jeder Teilnehmer bekommt einen Stift und vier Zettel, darauf schreibt er Fragen oder Aufgaben, je nachdem, was ihm so einfällt. Die einzelnen Runden beginnen jeweils damit, dass ein Zettel gezogen wird. Anschließend bestimmt die Flasche, wer die entsprechende Frage beantworten bzw. Aufgabe erfüllen muss. Da man selbst auch die eigenen Zettel ziehen kann, ist diese Spielvariante nicht ganz so peinlich. Allerdings versucht man trotzdem, möglichst frech und gleichzeitig originell zu sein.
Dieses Mal habe ich den anderen gegenüber einen Vorteil, immerhin habe ich den Sonntag in Gesellschaft der Suchmaschine verbracht. Da ich mir die Fragen für »Wahrheit oder Wahrheit« aufheben will, entscheide ich mich für die Praxis-Variante:
Rufe jemanden an, nur um ihm zu sagen, dass du gerade keine Zeit hast.
Mache demjenigen, auf den die Flasche als nächstes zeigt, eine Liebeserklärung auf Chinesisch.
Setze dir eine Brötchenhälfte auf den Kopf und singe wahlweise »Ich hab die Haare schön« oder »Ich hab ein Brötchen auf dem Kopf, ich bin ein Döner«.
Wähle eine Person aus der Gruppe aus und mache eine Minute lang genau das Gleiche wie sie.
Grinsend falte ich meine Zettel zusammen und werfe sie in eine umfunktionierte Chipsschüssel, an deren Boden noch ein paar fettige Krümel kleben.
Die anderen sind nicht so schnell und bewundern meine spontane Kreativität. Besonders Viv scheint heute Abend Schwierigkeiten mit der Vorbereitung zu haben. Statt die Zettel zu beschriften, kaut sie gedankenverloren auf dem Ende ihres Stiftes herum. Wahrscheinlich malt sie sich aus, wie schön es wäre, wenn Till mitspielen würde. Kurzzeitig hatten wir in Erwägung gezogen, ihn zum Zelten einzuladen, diese Idee jedoch wieder verworfen. Die Freundschaft der beiden ist noch zu frisch, um direkt drei Tage in Folge miteinander zu verbringen. Außerdem hätte sich die Begeisterung von Laro und Jasmin wohl in Grenzen gehalten, wenn eine von uns in männlicher Begleitung erschienen wäre.
Nach einer Viertelstunde, in der ich einen weiteren Becher Wein getrunken, Stockbrot gegrillt, Gummibärchen gegessen und den anderen teils genervte, teils aufmunternde Blicke zugeworfen habe, sind endlich alle Zettel in der Schüssel. Die Sonne ist inzwischen hinter den Bergen verschwunden, sodass ich fröstelnd meine Schultern hochziehe. Direkt bietet mir Marius seinen Pullover an, was ich jedoch ablehne. Stattdessen hole ich meinen eigenen aus dem Zelt und kuschle mich hinein.
Die beiden Jungs sind wirklich nett. Ob sie auch anständig sind, wird sich zeigen. Sollten Dinge wie »Gib der nächsten Person einen Zungenkuss« auftauchen, so weiß ich sicher, dass diese großartigen Ideen nicht von uns Mädchen stammen. Ich mag paranoid sein, aber trotzdem frage ich mich, ob etwas – und wenn ja, was – hinter ihrer Anwesenheit steckt. Ich könnte sie einfach fragen. Nach zwei Bechern Wein erscheint mir diese Idee gar nicht so verkehrt.
Mit meinem unnachahmlichen Charme platze ich also mitten in
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