Formbar. Begabt
vorwirft.
»Anderen Frauen den Freund auszuspannen ist das Letzte! Das absolut Letzte!«
Ihre blauen Augen blitzen vor Zorn. Im Groben ist mir schon bewusst, dass es um Jan geht, nur was ich dabei getan haben soll, ist mir schleierhaft. Ich öffne den Mund und klappe ihn wieder zu, als sich die nächste Hasstirade über mich ergießt.
»Tu nicht so unschuldig! Mich täuschst du nicht! Das war doch alles von Anfang an dein Plan! Du bist seit Wochen scharf auf ihn, gib's doch zu! Du schmeißt dich an ihn ran. Du bist so erbärmlich!«
»Denise, ich habe nicht...«
»Halt deine verdammte Klappe, du blöde Kuh. Lüg mich nicht an! Ich habe alles gehört! Ihr geht morgen ins Kino!«
Allmählich reicht es mir.
»Wenn du unser Gespräch belauscht hast, dann dürfte dir auch klar sein, dass er es war, der mich gefragt hat! Nicht umgekehrt!«
Sie scheint mich nicht gehört zu haben und schreit in höchster Lautstärke weiter. Falls sich noch jemand in der Schule befindet, wird das peinlich, für sie und für mich gleichermaßen. Hoffentlich hat Jan das Gebäude bereits verlassen.
»Du wusstest ganz genau, dass er mit mir zusammen ist! Beziehungen zerstören ist das Letzte! Aber das ist dir egal, oder?«
Sie wird immer lauter, ich schaue verlegen zu Boden.
»Ach, ist dir das doch peinlich? Bin ich dir peinlich? Soll ruhig die ganze Schule hören, was du für eine verlogene Schlampe bist! Ich hasse dich!«
Immer weiter steigert sie sich in ihren Zorn hinein. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie mit Fäusten auf mich losgeht. Verzweifelt überlege ich, wie die Situation entschärft werden kann.
»Denise, bitte beruhige dich. Ich hatte niemals die Absicht, dir Jan auszuspannen. Natürlich fand ich die Vorstellung, dass er mal mit mir ausgeht, toll, aber ich habe nichts getan, um ihn für mich zu gewinnen. Du hast das Gespräch eben gehört. Er ist derjenige, der mich gefragt hat. Mich trifft keine Schuld!«
Da kommt mir eine Idee. Gedankenlesen kann ich nicht. Doch wie verhält es sich mit mentaler Beeinflussung? Spontan fokussiere ich meine ganze Konzentration auf einen Impuls, den ich ihr zuschiebe.
Glaube mir. Ich sage die Wahrheit. Glaube mir.
Plötzlich weicht alle Kraft aus ihr. Von einem Moment auf den anderen fällt sie weinend in sich zusammen und lehnt mit hängenden Schultern an der Wand, während ihr die Tränen die Wangen hinunterlaufen. Ein Bild des Elends und direkt empfinde ich Mitgefühl.
»Ja. Er hat dich gefragt.«
Kurzzeitig überlege ich, ob ich ihr tröstend die Hand auf den Arm legen soll, entscheide mich aber angesichts der Vorwürfe, die sie mir eben entgegengeschmettert hat, dagegen. Ich scheine im Moment nicht zu ihren Lieblingspersonen zu gehören. Während ich stumm neben ihr lehne und warte, muss ich ein Gähnen unterdrücken. Mit den Fingerspitzen massiere ich meine Schläfen und versuche, die Müdigkeit zu vetreiben.
Denise zieht zitternd die Luft ein und setzt zu einer neuen Erklärung an. »Tut mir leid, dass ich eben so drauf war. Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Er hat mich einfach abserviert. Ohne Erklärung. Die ganzen Ferien habe ich überlegt, ob es an mir liegt. Ich wollte ihn fragen, was ich falsch gemacht habe und ob er uns noch eine Chance gibt. Und dann sehe ich euch.« Erneut schluchzt sie auf. »Es ist immer noch seine Entscheidung, mit wem er zusammen sein will. Ich bin es wohl nicht mehr.«
Nun lege ich ihr doch die Hand auf den Arm. Ihr Kummer ist für mich schwer zu ertragen, zumal ich ja auch irgendwie involviert bin. Wenn ich nur wüsste, was man in einer solchen Situation sagt.
»Es tut mir leid...«
Ich war auch schonmal kreativer, aber mir fällt absolut nichts Konstruktives ein. Denise lässt sich zu Boden sinken und legt ihren Kopf auf die Knie. Ich setze mich neben sie und versuche, ermutigende Schwingungen zu verbreiten. Nach einiger Zeit werden ihre Schluchzer seltener und leiser.
»Auf der Party von Susanne hat er mich gefragt, ob ich mit ihm ausgehen will. Das ist noch keinen Monat her.«
Wer ist Susanne? Warum war ich nicht eingeladen?
Egal, das spielt jetzt wirklich keine Rolle.
»Ich konnte es nicht glauben, dass er mit mir zusammen sein will. Ich war total glücklich.«
Ja, das kann ich verstehen. Mir geht es gerade ähnlich oder zumindest war dies vor ein paar Minuten noch der Fall, bevor du mich mit dem verbalen Vorschlaghammer bearbeitet hast. Nichtsdestotrotz schweige ich, denn es ist offensichtlich, dass Denise jetzt einen
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