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Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken

Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken

Titel: Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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darauf von einem leisen Wiegenlied in der Sprache der Rus beruhigt.
    »Komm ins Bett.«
    Er drehte sich um und schaute zurück. Kathleen saß aufrecht da und betrachtete ihn.
    »Ich kann nicht schlafen.«
    Sie schlüpfte aus dem Bett und ging zu ihm, schlang die Arme um seine Hüfte und schmiegte sich an ihn, legte den Kopf auf seine Schulter. Gemeinsam mit ihm lauschte sie, dann lachte sie leise.
    »Das ist Gregorys Zimmer, oder?«, fragte sie.
    Lächelnd nickte er. Gregorys junge Braut hatte doch tatsächlich ein Zimmer in der Stadt gefunden, eine nahezu unmögliche Großtat .
    Wieder suchte ihn ein flüchtiges Bild heim – der Andere, der in der Dunkelheit stand und ihn wartend beobachtete.
    »Du zitterst ja.«
    »Mir ist bloß kalt.«
    Sie kehrte zum Bett zurück, ergriff eine Decke, ging wieder zu ihm, legte sie ihm um die Schultern und wand sich herum, um ihn unter der Decke festzuhalten.
    »Er sucht nach mir«, flüsterte Andrew.
    »Wer?«
    »Er. Ich bin nicht sicher. Es fühlt sich an, als wäre er in meinem Kopf und versuchte, meine Gedanken abzutasten, mir Furcht vor ihm einzuflößen. Yuri hat mir von ihm erzählt, dem Schildträger.«
    »Das ist Aberglaube.«
    »Ich weiß nicht recht«, murmelte Andrew.
    Die Geräusche aus Gregorys Zimmer endeten. Ein liebevolles Lachen ersetzte die Leidenschaft, dann, kurz darauf, folgten auch Tränen.
    Traurig lächelte Andrew.
    »Wir wollten nur in Frieden leben«, flüstere er. »Nur in Ruhe gelassen werden. War das zu viel verlangt?«
    »Eines Tages vielleicht.«
    Knarrend öffnete sich eine Tür, und Andrew schaute hinaus. Oben an der Straße tauchte ein Mann in der weißen Uniformjacke eines Rus auf, das Schwert eines Offiziers an der Seite, die Bettrolle über der Schulter. Er blieb stehen. Eine Frau folgte ihm heraus und umarmte ihn inbrünstig, ein kleines Kind umklammerte sein Bein. Zärtlich löste er sich von den beiden, woraufhin das Kind zu weinen begann. Er bückte sich, hob das Kind auf, umarmte es und reichte den heulenden Knaben der Mutter, die ihn innig festhielt. Der Mann marschierte die Straße entlang unter Andrews Fenster hindurch, ohne zu bemerken, dass er beobachtet wurde. Ohne einen Blick zurück ging er weiter. Andrew spürte, dass der Mann nun Tränen ihren freien Lauf ließ, weil er meinte, dass niemand sie sehen konnte. Die Frau und das Kind standen auf der Straße und blickten ihm noch eine Weile weinend nach, denn kehrten sie ins Haus zurück.
    »Ich hoffe, er schafft es«, sagte Kathleen mit erstickter Stimme.
    Wie viele werden es nicht schaffen? dachte Andrew. Wie viele werden am Ende dieses Tages noch übrig sein, und wie viele werden mit offenen Augen blicklos in den Himmel starren, mit Glück die Beerdigung erwarten oder mit Pech die Gruben der Merki? Er versuchte, sich vorzustellen, dass alles vorbei wäre und der unbekannte Mann, den er gerade gesehen hatte, die Straße hinauf zu einer wartenden Umarmung lief. Die Alternative versuchte er zu verdrängen.
    »Ich muss mich vorbereiten«, murmelte Andrew.
    »Komm zurück ins Bett.«
    Ihm war klar, was sie dachte, was sie wollte.
    »Ich kann nicht«, seufzte er plötzlich verlegen, da er wusste, dass er nicht zu körperlicher Liebe in der Lage war, nicht jetzt. Es hätte ihm ein Gefühl der Endgültigkeit vermittelt, das er nicht ertragen hätte.
    »Nein, das meine ich nicht«, flüsterte sie, führte ihn vom Fenster weg, sank auf die Laken und zog ihn zärtlich neben sich.
    »Halt mich einfach fest«, hauchte sie. »Bitte, halt mich fest.« Inbrünstig umklammerte sie ihn, dann setzten die Tränen ein. Unwillkürlich begann sie zu schluchzen, und seine Brust dämpfte die Laute.
    Er schlang den Arm um sie, drückte sie an sich und küsste sie auf den Kopf. Der wunderbare, so vertraute Duft ihres Haars stieg ihm in die Nase. Beschämt bemühte er sich, die eigenen Tränen einzudämmen, die ihre Haare benetzten.
    »Es wird alles gut, Liebling, es wird alles gut«, murmelte er.
    Das Weinen verebbte zu einer zärtlichen Stille. Beide erinnerten sich an so vieles, an alles, was sie gemeinsam ausgemacht hatte. Dabei wurde ihm klar, dass er noch nie eine derartige Liebe für sie empfunden hatte wie in jenem Augenblick und dass er, sollte er an jenem Tag sterben, sollte alles verloren sein, zumindest diesen Moment haben würde. Er spürte, wie die Tränen wieder aufwallten, und fand es unmöglich, sich auszumalen, dass es jetzt, heute enden könnte, dass alles für immer vorbei sein würde,

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