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Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken

Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken

Titel: Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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wenn er aufstand und zur Tür hinausging-
    Letztlich ging es um die einfachsten Dinge; ein Kind in den Armen; am frühen Morgen neben der Geliebten wach zu liegen; einen Spaziergang durch den Wald an einem verschneiten Tag; ein warmes Feuer, das zu Hause wartete. Alles so schlicht und doch so kostbar, wenn es verloren zu gehen drohte. Schon komisch, sinnierte er. Sonst denken wir nie über all die herrlichen Dinge des Lebens nach; erst, wenn alles verloren scheint oder in der Nacht entschwindet.
    »Sollte mir etwas zustoßen …«, setzte er leise an.
    »Nicht. Bitte nicht.«
    »Pst.«
    Sie begann, wieder zu weinen.
    »Sollte mir etwas zustoßen, will ich, dass du weißt, wie sehr ich dich liebe, wie sehr ich dich immer lieben werde, selbst nachdem ich nicht mehr da bin. Ich werde auf dich warten, für immer.«
    »Bitte nicht. Bitte stirb nicht, ich könnte nicht ohne dich leben.«
    »Da ist immer noch Maddie.«
    Sie nickte.
    Er hielt sie fest und drückte sie an sich, als könnte er dadurch ihre Seele mit der seinen verschmelzen. In der Ferne läutete zwei Mal eine Glocke.
    »Ich muss los«, flüsterte er. »Es ist Zeit.«
    Sie nickte zwar abermals, während ihre Tränen seine Brust benetzten, ließ ihn aber nicht los.
    Er wartete eine weitere Minute, dann zwei, weil er selbst nicht gehen wollte. Insgeheim betete er, dass es jetzt geschehen möge, wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Zeit anzuhalten, um sie am Rand des Abgrunds einzufrieren und den bevorstehenden Tag auf ewig fernzuhalten.
    Schließlich holte sie tief Luft, seufzte, ließ ihn los und sah ihm ins Gesicht.
    »Ich liebe dich.«
    »Und ich liebe dich«, flüsterte er und löste sich behutsam von ihr.
    Ohne zu ihr zurückzublicken, stand er auf, zündete eine Kerze an und begann, sich anzuziehen. Sie schlüpfte in einen Morgenrock und ging zu ihm, um ihm zu helfen, indem sie ihm das Hemd zuknöpfte, seine Feldjacke vom Bügel nahm und ihm hineinhalf. Dann öffnete sie eine Kommodenschublade, holte seine rote Schärpe hervor, schlang sie ihm um die Mitte und verknotete die Enden. Schließlich ging sie ihm dabei zur Hand, den Schwertgurt und den Revolver anzulegen.
    Er hatte sich nie daran gewöhnt, Hilfe beim Ankleiden zu benötigen, doch an jenem frühen Morgen war er dankbar für die Gemeinsamkeit. Sie ging zur Frisierkommode, kehrte mit einer kleinen Schachtel zurück und öffnete sie. Darin befand sich seine Ehrenmedaille des Kongresses, die ihm bei Gettysburg verliehen worden war.
    »Trag sie heute.«
    Er nickte, da er wusste, dass sie die Medaille als eine Art Talisman betrachtete. Kathleen heftete sie ihm an die Brust.
    Dann ergriff sie die Kerze und ging zur Tür.
    »Lass mich dir Frühstück holen.« In ihrer Stimme schwang Hoffnung mit, als könnte sie so ein paar zusätzliche Augenblicke erhaschen.
    »Ich werde mir unten im Hauptquartier etwas nehmen.«
    Sie nickte und ging die Treppe hinab. Andrew folgte ihr, wobei die Spitze seiner Schwertscheide hinter ihm über die Stufen holperte. Kathleen öffnete die Tür und stellte die Kerze auf dem Beistelltisch ab. Im fahlen Licht schien ihr langes, wallendes rotes Haar zu glänzen.
    Eine Weile standen sie da und betrachteten einander, dann trat er vor, umfasste sie, hob sie hoch, drückte sie an sich, küsste sie auf den Hals, auf die Lippen und stellte sie unsagbar langsam zurück auf den Boden.
    Sie wollte etwas sagen, doch er legte ihr einen Finger auf die Lippen.
    »Ich liebe dich«, flüsterte er, drehte sich um, trat hinaus auf die Straße, straffte die Schultern und marschierte in Richtung des Stadttors los. Er wusste, dass sie ihn weinend beobachtete, aber er wollte nicht zurückblicken.
    Abermals übermannte ihn einer jener Augenblicke, und ein Bild formte sich: Der Merki stand mit gezücktem Krummschwert vor ihm; die Welt um ihn herum lag in Trümmern, und er war der Letzte, der sterben sollte, nachdem er das unaussprechliche Grauen bezeugt hatte.
    Mühsam verdrängte er den Gedanken und konzentrierte sich stattdessen auf die Erinnerung an Kathleen, die an der Tür stand, auf den Geschmack des letzten Kusses, den er noch auf den Lippen spürte. Er ging weiter, und aus anderen Türen tauchten nacheinander weitere Männer auf, verabschiedeten sich und reihten sich hinter ihm ein, alle auf das Stadttor und das Schicksal zu, das sie auf der anderen Seite erwartete.
    »Lebensspender, Tagesspender, Sonne des Himmels, wir verneigen uns zum Gruß vor deiner Gegenwart.«
    Als Sarg den Sprechgesang

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