Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken
Allmählich dämmerte ihnen die Erkenntnis, dass dieses Phänomen, worum es sich auch handeln mochte, die Merki unten im Tal auslöschte, und ein verzweifelter Jubel der Hoffnung erhob sich.
Chuck sprang auf und ab wie ein kleiner Junge bei einer Parade zum Vierten Juli, dann erinnerte er sich plötzlich an seine zweite Überraschung. Seine beiden Gehilfen hatten die Segeltuchabdeckung bereits von der Gatling-Kanone entfernt. Chuck griff hinab und öffnete die Dampfantriebsleitung, die mit der Lokomotive verbunden war, dann trat er hinter die Kanone und zielte auf die Linie der Merki auf dem Rücken, die panisch umherwuselte.
Er zog den Auslöser zurück.
Ein einziges Geschoss wurde abgefeuert, dann stockte die Kanone mit einem stöhnenden Zischen, und Dampf strömte in jede Richtung.
Chuck wich von der Maschine zurück und schüttelte den Kopf.
»Verflucht noch eins«, murmelte er.
Andrew, der das Versagen der Kanone gar nicht bemerkt hatte, stand immer noch andächtig schweigend da, während die Rauchwolken rings um ihn wallten.
Chuck schaute grinsend zu ihm.
»Er hat den fatalen Blitz seines schrecklichen, geschwinden Schwerts entfesselt«, sagte Andrew mit Ehrfurcht in der Stimme.
»Zumindest die Raketen haben funktioniert«, meinte Chuck leise.
»Falls ich je wieder ›Nein‹ zu Ihnen sage, dann antworten Sie, dass ich mich zum Teufel scheren soll, verstanden?«
»Kann ich das schriftlich haben, Sir?«
Andrew warf den Kopf zurück und lachte. Er klopfte Chuck auf die Schulter und kletterte auf den Abschusswagen.
»Soldaten der Armee der Republiken«, begann er mit schneidender, deutlicher Stimme. Tausende Männer schauten zu den Zügen. Viele von ihnen sahen Keane, der aufrecht dastand, das Schwert in der einen Hand, den halbleeren Ärmel bewusst ausgestreckt, damit alle wussten, wer er war. Hinter Andrew gesellten sich die Flaggenträger des 35. Maine und der Armee der Republiken.
»Angriff!«
Damit sprang er vom Wagen, landete hart auf dem Boden, verlor kurz das Gleichgewicht, fing sich jedoch rasch wieder. Die Flaggenträger kamen ihm nach, und die Standarten des 35. und der Armee der Republiken wehten an Andrews Seite. Männer strömten aus den Zügen zu seiner Linken, während die Linie rechts sich bemühte, sich einen Weg unter oder über die noch rauchenden Abschusswagen zu bahnen, allzeit überschwänglich jubelnd. Der Ruf hatte sich über die gesamte Linie ausgebreitet.
»Angriff, Männer, Angriff!«
Der Schrei glich einer gebrüllten Entladung von Wut, verzweifelter Enttäuschung und nun auch wachsender Hoffnung.
Andrew preschte los, rannte aus Leibeskräften, schaute nicht zurück, wusste nicht, dass aus dem Rauch ein riesiger Bogen von Männern vorwärts zum Rand des Rückens lief. Die vordersten Ränge der Merki schienen wie erstarrt, hin- und hergerissen zwischen dem Grauen unten im Tal und jenem vor ihnen. Reiter wendeten, Pferde galoppierten los. Die Merki-Horde zerbrach und ergriff die Flucht.
Ein Krieger drehte sich um, hob den Bogen an und zielte auf Andrew, doch ein Musketenschuss schleuderte ihn aus dem Sattel. Andrew bekam gar nicht mit, was geschah. Die Männer blieben kurz stehen, ließen Schüsse in das Getümmel prasseln, dann rannten sie mit leeren Waffen und gezückten Bajonetten weiter.
Andrew erreichte den Kamm des Rückens und sah unter sich blanken Wahnsinn.
Über eine Front von einer halben Meile und in eine Tiefe von fast einer Viertelmeile wogte ein Rauchwall aufwärts. Beiderseits und dahinter flüchteten zehntausende Merki in Richtung des Flusses. Die vorderste Front glich einem wuselnden Meer der Verwirrung; die Merki kämpften nicht mehr, sondern versuchten nur noch zu entkommen, wobei Krieger ihre Pferde verloren, abgeworfen und zertrampelt wurden. Wildes, wahnsinniges, ohrenbetäubendes Gebrüll erfüllte die Luft.
In knapp dreißig Meter Höhe löste sich die Republic aus dem Qualm und feuerte eine Rakete ab, die sich mitten in das Chaos senkte und explodierte. Der Anblick des aus dem dunklen Nebel gleitenden Fluggeräts steigerte den Wahnsinn noch, ließ Reiter entsetzt in Deckung gehen.
Entlang des Hügelkamms hielt die Armee inne. Die Männer arbeiteten fieberhaft daran, ihre Musketen nachzuladen. Dann ertönte krachendes Musketenfeuer und schwoll zu einem dauerhaften Lärm an, als die Männer in die dicht gedrängte Masse schossen, in der es unmöglich war, nicht zu treffen. Die große Batterie links, die während der langen Minuten zuvor
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