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Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken

Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken

Titel: Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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erlauben konnte. Sheridan, der in der Lage war, unbarmherzig durch das Shenandoah-Tal zu reiten und alles zu zerstören. Andrews ehemaliges Vorbild, das aber irgendwie aus seinem Herzen verbannt worden war. Etwas war in ihm gestorben, als er den Merki, der im Forum von Roum am Kreuz hing, erschossen hatte, als hätte er den Gott erschossen, an den er einst so inbrünstig geglaubt hatte, und seine Seele mit Leere gefüllt.
    Er kannte die Leere – sie hatte mehr als einmal versucht, sich seiner zu bemächtigen –, aber Hans oder Kathleen hatten ihn jedes Mal von der Kante zurückgezogen. Und Hans war fort. Er lächelte traurig. Nein, er war nicht wirklich fort; irgendwie konnte er beinahe spüren, dass Hans immer noch in seinem Inneren lebendig war, auf dieselbe Weise wie ein Vater immer in der Seele seines Sohns lebt, sogar nachdem er gestorben ist.
    Und Kathleen, auch sie war immer dort, ihr wunderbarer singender Tonfall, wenn ihr irischer Akzent durchschimmerte, wenn sie ärgerlich war, und auch in jenen wunderbaren Augenblicken der Leidenschaft. Jedes Mal, wenn er fühlte, wie sich seine Seele mit Leere füllte, verdrängte sie diese Leere und gab ihm den Atem des Lebens zurück, ein Phänomen, von dem er geglaubt hatte, dass es ihm niemals zuteil werden würde, nicht nach dem, was seine Verlobte ihm vor dem Krieg angetan hatte. Kathleen hatte sogar noch mehr erreicht, und er kämpfte, mehr als aus allen anderen Gründen, für sie und ihre Tochter weiter. Er fühlte die Last einer ganzen Nation und der gesamten Menschheit dieses Planeten auf seinen Schultern ruhen. So sicher wie er lebte oder starb, war das Schicksal der Rus, der Roum und, ja, selbst das der Cartha und all der anderen, irgendwie mit ihm durch ein seltsames mystisches Band verknüpft, das im Rhythmus des Lebens und Blutes, der Leidenschaften und Träume von Freiheit, pulsierte.
    Aber es waren diese zwei Seiten, die in ihm wohnten, seine Hoffnungen und Träume, dass sie überlebten, die sein Herz am tiefsten bewegten. Er hatte oft darüber nachgedacht und fand, dass es ein wesentlicher Aspekt war. Vor vielen Jahren war er in die Armee eingetreten, um für etwas Abstraktes, ein Gemeinschaft genanntes Wort, und einen Freiheitstraum für Menschen zu kämpfen, von denen er keinen einzigen mit Namen kannte. Er hätte bereitwillig sein Leben dafür geopfert; er hatte es beinahe bei Gettysburg getan.
    Jetzt stand viel mehr auf dem Spiel als Gettysburg, und er war derjenige, der entscheiden würde, wo und wie gekämpft wurde. Dies war kein ehrbarer Kampf, wie er es von der Erde her kannte, mit Regeln und sogar einem tödlichen, zu Zeiten beinahe freundlichen Respekt zwischen den zwei Seiten. Dies war die Brutalität des Kriegs von seiner rohesten Seite. Ein Krieg aus Massaker, Folter, Attentaten, ein primitiver Kampf ums Überleben auf beiden Seiten.
    Erschaute im Raum umher, beobachtete all seine jungen Männer und auch die wenigen älteren. Als sich die Blicke für eine Sekunde trafen, lagen darin Achtung, Ehrfurcht, und bei seinen alten Gefährten des 35. eine tiefe Zuneigung, die nur Soldaten, die so lange zusammen gedient haben, wirklich verstehen können. Doch was ihn mehr als alles andere veranlasste, den Kampf fortzusetzen, das war, was er erst ein paar Minuten zuvor gesehen hatte, als er sich aus dem kleinen Haus in der Stadt, das als sein privater Wohnsitz diente, hinausgeschlichen hatte. Kathleen war eingeschlafen, völlig erschöpft, nachdem sie mitten in der Nacht gerufen worden war, um einen Jungen zu retten, der mit einer Darmwunde, verursacht von einer umgefallenen Muskete, hereingebracht worden war. Sie hatte die Verletzung behandelt und ihn retten können. Bis zum Nachmittag war sie im Krankenhaus geblieben, hatte nach ihren anderen Patienten gesehen und dann die Visite der zwanzig weiteren Doktoren, für deren Ausbildung sie verantwortlich war, begleitet.
    Dann war sie eingeschlafen, Maddie lag zusammengerollt neben ihr, um ihr Nachmittagsnickerchen zu machen. Das Sonnenlicht fiel tief herein und erfüllte das Schlafzimmer mit einem weichen goldenen Glühen, das immer in den späten Tagen des Frühjahres eine spezielle Wärme zu haben schien. Ihr leises, rhythmisches Atmen war das einzige Geräusch im Zimmer, das Grollen und der Aufruhr des Kriegs wirkte irgendwie gedämpft. Er hatte gespürt, wie ihm Tränen in die Augen traten, als er sie beobachtet hatte, wie sie schliefen, der Schlaf der Unschuld und des erschöpften Mitgefühls.

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