Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Forstchen, William

Forstchen, William

Titel: Forstchen, William Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
Vom Netzwerk:
unterdrücktes Husten. Jedes einzelne Geräusch erschien Gregori wie ein Donnerschlag.
    Im Laufe der nächsten Minuten drehte sich der Wachmann mehrmals um und blickte Gregori an, ehe er sich wieder dem Werksgelände zuwandte. Gregori schritt langsam auf und ab, und die Minuten schienen sich zur Ewigkeit zu dehnen. Alle paar Minuten blickte ihn der Wachmann von Neuem an. Gregori kümmerte sich nicht darum und versuchte so zu tun, als wäre er vor Langeweile schier benommen: hielt den Kopf gesenkt und ging mit schlurfenden Schritten. Er musste sich bald der Fahrdiensthütte zuwenden, aber es war besser, wenn er damit so lange wie möglich wartete. Er spazierte zur Ecke des Vorratshauses und warf einen forschenden Blick auf die Lokomotive. Sie baute jetzt Dampfdruck auf, und Funken stiegen in Spiralen aus dem Schornstein auf, während die Hitze des Feuers den Kesselzug steigerte. Ein Knacken und Zischen wie von einem wärmer werdenden Teekessel hallte über den Bahnhof. Gregori blickte wieder zum Wachmann hinauf, der sich anscheinend beruhigt hatte. Gregori spazierte zurück Richtung Tür.
    »Lin?«
    Eine kurze Pause trat ein. »Was ist?«
    »Wie viele bislang?«
    »Etwas über hundertfünfzig.«
    Das ging viel zu langsam.
    Wie viel Zeit haben wir eigentlich noch? Er ging um das Vorratshaus herum und sah den Feuerschein aufflackern, als die Tür zur Brennkammer aufging.
    Schwere Schritte wurden vernehmlich. Rechts von sich sah er eine Kolonne von fünfzig Bantagwachleuten raschen Schrittes um die Ecke der Palisade marschieren. Er hatte das Gefühl, dass ihm das Herz stehen blieb.
    Er wartete darauf, dass die Kolonne zu ihm umschwenkte, aber sie setzte ihren Weg geradeaus zum Haupttor fort. Er wich in den Schatten zurück und behielt sie scharf im Auge. Inmitten der Kolonne entdeckte er einen einzelnen Menschen. Obwohl er ihn nie zuvor gesehen hatte, spürte er, wer das war, und spie den Namen wie einen Fluch aus.
    »Hinsen!«
    Hans blickte sich in der Gießerei um. Bislang waren mehr als zweihundert Flüchtlinge durch den Tunnel gegangen, und seine eigene Unterkunft hatte sich nahezu entleert. An der nächsten Tretmühle war, wie er feststellte, das Tempo zurückgegangen. Mehrere der Arbeiter darin blickten offen Hans und die neue Gruppe von Holzkohlenträgern an, die vorbeikam. Inzwischen mussten sich, wurde Hans klar, die Arbeiter in der Tretmühle ausgerechnet haben, was geschah.
    Er entfernte sich auf seinem Weg durchs Werk langsam von Hochofen Nummer drei.
    »Hans!«
    Das war Ketswana.
    »Gregori hat gerade eine Nachricht übermittelt. Fünfzig Bewaffnete am Tor. Hinsen ist dabei.«
    »Wer?«
    »Hinsen. Gregori hat die Nachricht gerade durch den Tunnel übermitteln lassen.«
    »Hinsen.« In seiner ganzen Zeit hier hatte Hans den Verräter nicht zu Gesicht bekommen. Warum erschien er nun ausgerechnet heute Abend?
    Die Erkenntnis packte ihn wie eine eisige Hand ums Herz.
    »Sie wissen Bescheid.«
    Hans versuchte, das zu verdauen. Wenigstens einmal alle paar Wochen führten die Bantag eine Razzia durch, wobei sie nach versteckten Lebensmitteln suchten, nach Waffen, nach irgendeiner Ausrede, um jemanden in die Gruben zu schleppen. Hans hätte gern geglaubt, dass es diesmal das Gleiche war. Aber selbst wenn es so war, würden sie schnell herausfinden, dass etliche Unterkünfte halb leer standen.
    Sie mussten einfach wissen, dass etwas ablief. Jemand musste geredet haben, wahrscheinlich direkt zu Hinsen. Andernfalls wäre dieser nicht erschienen, um sich den Entscheidungsschlag anzusehen.
    Hans drehte sich zur Fabriktür um. »Die übrigen Wachen?«
    »Auf ihren üblichen Positionen.«
    »Macht euch bereit, sie alle zu töten. Bereitet auch das Signal zu einer Massenflucht aus den übrigen Unterkünften vor.«
    »Das wird eine Panik auslösen.«
    »Ich weiß?«
    In Gedanken versuchte er die Zeit nachzurechnen, seit die Zugmannschaft durch den Tunnel gegangen war. Eine Stunde vielleicht, vielleicht auch eine Stunde und fünfzehn Minuten. Reichte das, um Dampfdruck aufzubauen? Ihm blieb nur die Hoffnung.
    »Sobald wir unsere Leute hereingeholt haben, schließt das Tor und verkeilt es. Das müsste uns ein wenig Zeit verschaffen.«
    »Was wird aus der Flucht?«
    »Falls wir Glück haben, konzentrieren die Bastarde ihren Einsatz hier. Beten wir darum, dass Gregori einen kühlen Kopf behält und so lange wie nur irgend möglich mit dem Ansturm auf den Zug wartet. Geh jetzt.«
    Er sah, wie sich Ketswana zum Gehen wandte.

Weitere Kostenlose Bücher