Fortunas Odyssee (German Edition)
am Bettrand sitzen. Er hatte den beiden den Rücken zugekehrt. Ich rieb nervös meine Hände und richtete meinen Blick auf die Tür. Tim stand daneben.
»Gott spricht durch mich, mein Junge. Du sollst wissen, dass alles in Ordnung ist, denn es ist keine Sünde, sich dem Padre hinzugeben. Mein Körper ist der Tempel des Herrn, komm in den Tempel«, schmeichelte dieser verfluchte Kinderschänder.
Ich hörte das Wimmern des Kindes…
Ich fühlte einen Knoten im Hals, die Tränen liefen mir über die Wangen und tropften auf mein Hemd.
Der Hexer hatte rote Augen und runzelte die Stirn.
»Wie kann ein menschliches Wesen einem Kind so etwas antun und dabei noch Lust empfinden?« Ich konnte es nicht fassen.
Sein Hals war genauso zugeschnürt wie meiner, er konnte nicht sprechen. Aber sein resigniertes Zucken mit den Schultern zeigte mir, dass jede Erklärung überflüssig war.
»Ganz ruhig, mein Engel«, grinste der Pfarrer.
»Das lass’ ich nicht zu«, schrie ich.
Ich schloss meine Augen und zählte, bis ich mir sicher war, dass diese Szene noch nicht begonnen hatte.
Dann öffnete ich die Augen und sah, wie sich der letzte Junge gerade von Tim und Fred verabschiedete, während seine Mutter energisch gegen das Haupttor der Kirche schlug, um ihn daran zu erinnern, dass es schon spät war.
Schleunigst rannte ich in die Kirche und begann, ein großes Durcheinander anzurichten. Ich zog an den Gewändern der Heiligen, warf Kirchenstühle um, schüttete die Hostien auf den Boden, schrie – natürlich alles nur in meiner Vorstellung.
Tim kam herein und ging direkt in den Flur.
»So ist es richtig!«, freute ich mich.
Als er sich der Tür dieses Zimmers näherte, öffnete sie sich, und er sah, wie Bitu versuchte, sich den Belästigungen des Pfarrers zu entziehen.
»Was hast du hier zu suchen, Bengel?«, fragte der Padre mit aufgerissenen Augen.
»Ich wollte meinen Freund abholen«, stotterte Tim.
Der Kirchenmann schluckte und gab Bitu einen Klaps auf die Schulter.
»Vergiss nicht, worüber wir heute gesprochen haben.«
Der Junge nickte nur mit dem Kopf. Er war bleicher als die Altarkerzen und so erschrocken, dass er sich beim Laufen an der Wand abstützte. Tim konnte es nicht lassen, zu fragen:
»Worüber habt ihr denn gesprochen?«
»Über nichts Besonderes.«
»Aber er hat dich gebeten, es nicht zu vergessen.«
»Ja, aber das hängt mit dem Ministrantentreffen zusammen, sonst nichts«, log er.
Fred stand auf, als die beiden ankamen, und sie gingen zusammen nach Hause.
»Was hat er denn?«, fragte Kita, als sie ihren Sohn sah, der immer noch blass war und den Kopf hängen ließ.
»Keine Ahnung, ich glaube es ist nichts«, antwortete Fred.
Tim sah den einzigen Topf auf dem Herd und verschlang die Suppe. Fred ging sofort ins Bad.
Ich atmete erleichtert auf. Mein zweiter »Tausch« war erfolgreich gewesen, ich wollte mich ausruhen und ging zu Mamas Zimmer. Sie lag auf dem Bett und schaute aus dem offenen Fenster auf einen Himmel voller Sterne. Ich schlüpfte unter dieselbe Decke und betrachtete mit ihr dieses kostenlose Schauspiel.
Dort blieb ich, streichelte ihre Haare und fühlte ihre Wärme, während die Nacht schweigend voranschritt. Tereza und die Kinder schliefen längst, aber wir nicht. Wir verbrachten die ganze Nacht wach in einem Einklang von Liebe und Sehnsucht. Ich sah Sterne blinken und Sternschnuppen, die die Erde besuchten, und inmitten dieses kosmischen Festes sah ich Papa zwischen den Sternen, der uns mit einem aufmunternden Lächeln grüßte.
Bereits einige Wochen später richtete der Pfarrer seine skrupellosen Aktivitäten auf Fred aus.
Der Seelsorger schlug den Ministranten vor, nach dem Samstagstreffen ein Picknick in der Nähe des Wasserfalls zu veranstalten. Nur Fred und Bitu konnten mitgehen.
Tim verbrachte den Tag, indem er an seinem Fahrrad herumwerkelte und seine Autos untersuchte, von denen einige repariert werden mussten. Am Nachmittag traf Mama ihn in der Badewanne an, wo er sich mit dem Schaum vergnügte. Sie bückte sich und seifte seinen Rücken ein, wobei sie ein Lied sang, das ich besonders gern mochte. Tim stützte sich mit beiden Händen auf den Wannenrand und ließ sich von Mama einseifen. Sie benutzte einen pflanzlichen Schwamm – der an der Gartenhecke wuchs – und rieb mit sanften kreisenden Bewegungen über seine empfindliche Haut. Er lachte und wand sich, weil ihn der Schwamm kitzelte. Sie lachte ebenfalls und wusch ihn besonders ausgiebig unter den Achseln,
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