Fortunas Odyssee (German Edition)
von ihm die besten Spielzüge. Sie gingen zusammen zu den Messen in der Kirche und nahmen an den Chorproben teil. Wie schon früher war Tim nie richtig bei der Sache und störte obendrein die Konzentration der Kollegen. Mama ging nicht zu den Messen und Tereza nur selten, denn sie betete immer im Wohnzimmer, wo die Figur eines Heiligen stand, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere.
Es war spät am Nachmittag, und die Kinder waren noch nicht von der Chorprobe zurückgekommen. Sie spielten Verstecken auf dem Friedhof hinter der Kirche, fünf Jungen und zwei Mädchen. Der rot gefärbte Himmel zeigte an, dass es an der Zeit war, nach Hause zu gehen. In der Kirche sprach Padre Benedito mit Bitu und hinderte ihn daran, den Heimweg anzutreten. Fred und sein Nachbar und Freund hatten ausgemacht, zusammen nach Hause zu gehen. Aus diesem Grund warteten die Kinder nach dem Spiel vor der Kirche auf Bitu.
Nach und nach bemerkten die Kinder, dass es schon spät war, und gingen nach Hause, aber Bitu erschien immer noch nicht.
Der letzte Junge verabschiedete sich eilig, als seine Mutter laut mit der Hand gegen das Haupttor schlug, um ihn daran zu erinnern, dass es an der Zeit war zu gehen. Tim und Fred gingen in die Kirche und Fred setzte sich auf eine Kirchenbank, schloss die Augen und fing an, zu beten. Tim hatte Hunger und sein Fuß brannte, weil er beim Pinkeln hinter einem Grabstein etwas schlecht gezielt hatte. Er hatte immer zerkratzte Füße, und ausgerechnet der, der am meisten zerschunden war, hatte einen Strahl Urin abbekommen. Aber dann sah er den Kelch mit den Hostien und vergaß seinen brennenden Fuß. Dort stand er, teilweise bedeckt mit einem weißen Tuch, das die Nonnen liebevoll bestickt hatten, und lud ihn zu einem leckeren Bankett ein. Er zögerte nicht und steckte sich eine Handvoll des heiligen Brotes in den Mund, wobei er sich nach allen Seiten umschaute, während er kaute. Sie hatten gelernt, dass es eine Sünde war, die Hostie zu kauen, da sie schließlich den Körper von Christus repräsentierte. Nach dieser Überlegung zerdrückte er sie mit der Zunge und sammelte viel Spucke im Mund, um sie wie einen Brei herunterzuschlucken.
Ich setzte mich in die erste Reihe und lachte über diese Szene. Tim so zu sehen, wie er die Hostien hinunterschluckte und sich dabei ständig umschaute, um nicht erwischt zu werden, ließ mich für einige Augenblicke die traurigen Ereignisse vergessen, denen ich in letzter Zeit beigewohnt hatte. In wenigen Minuten war der Kelch leer. Um seine Sünde noch zu verschlimmern, wischte er sich den brennenden Fuß mit dem heiligen, geweihten Tuch ab. Anschließend versteckte er, um sein Vergehen zu vertuschen, das Tuch unter einer großen Blumenvase neben dem Altar und begleitete die ganze Szene mit einem lauten Rülpser.
Ich lachte laut auf und konnte nicht glauben, dass ich dieser Junge war.
Er kam wieder hinter dem Altar hervor, als mir auf einmal klar wurde, dass Bitu in Gefahr war. Ich rannte zum Zimmer des Pfarrers und traf die beiden dort an. Der Junge zitterte am ganzen Körper, während der Kirchenmann ihm die Kleider abstreifte. Ich fing an, auf dieses Dreckschwein einzuschlagen. Neben dem Bett stand ein Glas, das zur Hälfte mit Wasser gefüllt war und daneben eine Schachtel mit irgendeinem Medikament. Er hatte Bitu betäubt.
Die Nacht brach herein, aber keine Lampe wurde angezündet. Es wurde zwar immer dunkler, aber der Pfarrer brauchte kein Licht, um seine Schandtat durchzuführen. Tim streunte durch den Flur, genau wie damals, als Fred das Opfer war.
Zu meiner Verzweiflung hörte er ein Geräusch in der Kirche und zog sich zurück.
»Nein, bitte, geh weiter!«, schrie ich. »Tim, du musst anwesend sein!«
Ich sprang herum, schlug mit den Fäusten gegen die Wand, stellte ihm ein Bein, alles, um ihn zum Umkehren zu bewegen.
Eine Nonne zündete eine Kerze auf dem Altar an, und kehrte anschließend wieder in den Konvent zurück. Fred saß weiter mit geschlossenen Augen da und fuhr mit seinen unnützen Gebeten fort. Tim spähte von der Ecke des Flurs zum Altar, und als er sah, dass die Nonne nicht den leeren Kelch bemerkt hatte, fasste er sich mit der Hand an die Brust und atmete erleichtert auf.
»Aber jetzt komm zurück, Junge. Los komm schon«, bat ich verzweifelt.
Er schaute noch einen Moment in die Kirche, dann drehte er sich zum Korridor und lief etwas schneller, bis er an der Zimmertür des Seelsorgers angelangt war. Ich sah den Hexer mit gesenktem Kopf
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