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Fortunas Odyssee (German Edition)

Fortunas Odyssee (German Edition)

Titel: Fortunas Odyssee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliane Reinert
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Dann bot er Tim ein Bonbon an, das er erst annahm, als Mama zustimmend genickt hatte. Irgendetwas an seiner Freundlichkeit war mir ungeheuer, aber vielleicht sah ich das einfach zu eng.
    »Gehen Sie erst einmal nach Hause. Morgen holt Rufino Sie mit Ihren Koffern ab.« Er ließ durchblicken, dass es ihm recht wäre, wenn sie in der Fazenda wohnen würde.
    »Aber mein Haus…«
    »Lassen Sie ihr Haus. Sie können so lange in der Fazenda bleiben, bis sich alles geregelt hat.«
    Das schien nicht derselbe Genésio zu sein, der eine Jugendliche als Sklavin und Geliebte ausgebeutet hatte, deren Leben er ohne Erbarmen vernichtet hatte und deren Sohn er in ein Waisenhaus abgeschoben hatte; derselbe, der seine Kunden mit falschen Rechnungen betrog, mit Waffen handelte und Soldaten überfiel, ja sogar ermordete.
    Ich beobachtete ihn. Dieser Mann war hart wie Eisen und schlau wie ein Fuchs.
    Sie verabschiedete sich, und wir gingen zu unserem Haus, das nicht nur wegen der fehlenden Möbel leer war; es fehlten besonders die Stimmen, das Gelächter, die Bitten, das eingeschaltete Radio mit seinem Programm für die ganze Familie, das Geräusch von Schritten…
    Hand in Hand traten Mama und Tim zögernd in das Haus, das einmal unser Heim gewesen war.
    Die Wände schienen traurig zu sein, und der Boden litt unter ihren Schritten.
    Tim hockte sich mit den Automodellen auf den Boden seines Zimmers. Er versuchte, mit einigen zu spielen, aber er gab es bald auf. Als sie ein Bad nahm, weinte er hemmungslos.
    In der Nacht, als er in ihren Armen schlief, dachte sie darüber nach, wie sie die Dinge zu seinem Besten gestalten konnte. Tim musste weiter in die Schule gehen, und sie musste es einrichten, dass er jeden Morgen in die Stadt und abends wieder zurück zur Fazenda käme. Rufino fuhr jeden Morgen in die Stadt, dort könnte er also mitfahren. Nach dem Unterricht könnte er die fünf Kilometer zurücklaufen. Sie wälzte sich im Bett und konnte nicht einschlafen.
    , dachte sie. Dann dachte sie an Fred. Sie empfand eine große Sehnsucht und eine Angst, ihn vielleicht nie wieder zu sehen.
    Sie stand auf und ging in den Garten, wo sie sich auf den Boden setzte und gegen die Hauswand lehnte.
    »Scheiß Leben!«, schimpfte sie und fuhr sich mir den Händen durch das Haar.
    Sie blieb eine ganze Weile dort, bis sie Schritte auf der Straße vernahm und einen Schatten sah. Sie rannte in die Küche zündete eine Leuchte an und lehnte sich gegen den Türrahmen.
    »Wer ist da?«
    Ich ging nach draußen und sah Genésio dort stehen.
    Er klopfte mit dem Finger an die Tür und gab Antwort.
    »Was wollen Sie, bitte?«
    Er schaute zu beiden Seiten der dunklen Straße, auf der der Wind trockene Blätter aufwirbelte. Er atmete tief.
    »Ich möchte mit Ihnen sprechen.«
    »Und worüber, bitte?«
    »Über Sie und Ihren Sohn. Ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist.«
    Für einen Augenblick herrschte Schweigen. Sie war sichtlich erschrocken, und musste sich erst sammeln, bevor sie antwortete.
    »Es ist alles okay, Seu Genésio. Danke.«
    Er blieb stehen, lehnte fast an der Tür und wartete offensichtlich darauf, hereingebeten zu werden.
    »Ordinäres Schwein!«, schrie ich und wollte auf ihn einschlagen. Es war nur zu eindeutig, was er wirklich von ihr wollte. Aber Mama war eine intelligente Frau und handelte immer mit Umsicht – in jeder Situation.
    »Können wir uns ein wenig unterhalten?«, schlug er vor.
    Entschuldigen Sie, aber das ist nicht der richtige Moment dafür. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«
    Er machte ein enttäuschtes Gesicht, lenkte jedoch ein; es war noch zu früh für diesen Schritt.
    »Also dann, gute Nacht, Dona Tyanna.«
    Als er sich entfernte, lehnte sie sich an die Wand und lauschte seinen schweren Schritten auf der Straße. Dann ging sie nach oben und spähte aus dem Fenster. Er bog gerade um die Ecke und erinnerte an ein Rhinozeros, das sich verlaufen hatte.
    »Das hat mir gerade noch gefehlt!«, wetterte sie.
    Am Morgen packten sie ihre Sachen, um in die Fazenda zu ziehen. Kita erschien und stellte jede Menge Fragen, und das Einzige, was Mama herausbrachte, war, dass sie ihr Leben in die Reihe bringen müsse und bald wieder zurückkäme. Kita bot ihr an, zu helfen, wo es nötig sei und erwähnte, dass ihr Sohn jetzt in einem Seminar war.
    »Am schlimmsten ist es, keine Nachricht von ihm zu erhalten«, beklagte die Nachbarin mit Tränen in den Augen.
    Mama

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